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Macht der Konsumenten

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Exkurs: Die Macht der Konsumenten

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Welche Sprengkraft in einer ganz alltäglichen Konsumentscheidung - dem Tanken - liegt, hat 1995 der Boykott von Tankstellen des Mineralölkonzerns “Shell” durch Autofahrer in Deutschland gezeigt.

Durch den massiven Protest der Umweltorganisation “Greenpeace” gegen die geplante Versenkung der ausrangierten Ölplattform “Brentspar” in der Nordsee, begleitet von einer bisher einmaligen Medien-Kampagne, war eine Welle der Entrüstung in der Bevölkerung entfesselt worden.

Aber erst der gezielte Boykott seines Tankstellennetzes zwang den Ölmulti im Juni 1995 schließlich dazu, von einer Versenkung abzusehen, um weitere Umsatzeinbrüche abzuwenden. Das Motto "Alle Macht den Konsumenten" hatte Erfolg.

Die Sensation war perfekt. Ein Weltkonzern war in die Knie gezwungen worden. “Brentspar” wurde zu einem Symbol für den Protest der Konsumenten und die rücksichtslose Ausbeutung der Meere. Die Konsumentscheidung war als neue Form der direkten Demokratie entdeckt worden. Ermöglicht durch die Macht der Kommunikation, die Macht der Medien und solidarisches Handeln.

Mit “Brentspar” war aber auch ein Präzedenzfall für ökologische Verantwortung geschaffen worden; ging es doch auch um die Frage, was in Zukunft mit den anderen 416 Öl-Plattformen in der Nordsee geschehen soll, die damals in Betrieb waren und von denen in den folgenden zehn Jahren 75 zur Entsorgung anstanden.[1]

Auf der Vierten NordseeschutzKonferenz im Juni 1995 sprachen sich deshalb die Minister der beteiligten Staaten mehrheitlich dafür aus, daß in Zukunft alle ausgedienten Öl-Plattformen, auch wenn sie von Giftstoffen gereinigt wurden, an Land zu entsorgen sind.[2]

Ein generelles Versenkungsverbot für Öl-Plattformen in der Nordsee scheiterte allerdings am Widerstand von Norwegen und Großbritannien, die sich eine Entscheidung im Einzelfall trotz aller ökologischen Risiken vorbehalten wollten.[3]

Trotzdem hat “Brent Spar” ein entscheidendes Signal gesetzt. Es wurden wichtige Fragen ins öffentliche Bewußtsein gebracht und eine ökologische Diskussion darüber angeregt, ob das Meer als Müllkippe “für Industrieschrott, Ölrückstände, Schwermetalle und schwachradioaktive Substanzen” verwendet werden darf.[4]

Unabhängig von der Verschwendung zum Teil wertvoller, wiedergewinnbarer Stoffe wären die langfristigen Konsequenzen einer Versenkung dieser Materialien und Umweltgifte für das Ökosystem der Nordsee gar nicht auszudenken.

Ein ökologischer Zusammenbruch der Weltmeere hätte verhängnisvolle Folgen für die Menschheit. Weil die Weltmeere immerhin 70% des vom Menschen benötigten Sauerstoffs bereitstellen, käme es einer Vernichtung der Sauerstoffbasis des Menschen gleich, wenn sie bei weiterer Verschmutzung ihre Sauerstoffproduktion einstellen würden.[5]

Aber selbst wenn der Boykott ein Ausdruck der herrschenden Moral gewesen sein mag und gezeigt hat, daß auch ein internationaler Multikonzern nicht über unbegrenzte Handlungsmöglichkeiten verfügt, sollte nicht vergeßen werden, daß “Brentspar” nicht die Ursache der Meeresverschmutzungen war, sondern nur Symptom: Ursache ist und war das Auto.

Denn Benzin kommt schließlich nicht von der Tankstelle, sondern u.a. von der “Brentspar”. Das eigentliche Problem einer nachhaltigen Entwicklung wurde also nicht dadurch gelöst, daß die Konsumenten Benzin einfach bei “Aral” eingekauft haben.

“Mal eben” die nächste Tankstelle anzusteuern ist bequem und kostet wenig Zeit und Geld. Wie gefestigt ein Umweltbewußtsein in Wirklichkeit ist, zeigt sich erst, wenn es um persönliche Einschnitte in die Lebensgewohnheiten und - erst recht - wenn es um den eigenen Geldbeutel geht.

Da erscheint es in diesem Zusammenhang fast paradox, daß sich ausgerechnet die Autofahrer und Konsumenten in Deutschland gegen die Ölindustrie verbündet hatten.

Es bleibt abzuwarten, ob sich der Konsument auch in Zukunft seiner Macht und Souveränität bewußt ist und die daraus abgeleitete ökologische Verantwortung für ein Sustainable Development auch in tägliche Konsumentscheidungen z.B. beim Einkaufen miteinfließen läßt. Diese Einkaufsrevolution könnte entscheidend dazu beitragen, die Umweltkrise abzumildern.

 

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[1] Vgl. Friedrich, M. (1996), Offshore-Ölförderung, in: Greenpeace Magazin 5/96, Hamburg, S.53.

[2] Vgl. Greenpeace Magazin 4/96, Hamburg, S.32.

[3] Vgl. Greenpeace Magazin 4/96, Hamburg, S.32.

[4] Anmerkung: Die Restölmengen in der “Brentspar” sind von Greenpeace zwar ursprünglich zu hoch eingeschätzt worden. Aber selbst wenn Shell wissenschaftliche Gutachten vorgelegt hat, nach denen die Versenkung und die Entsorgung an Land die gleiche Belastung für die Umwelt aufweisen sollen, stellt sich auch hier die Frage, ob das Ökosystem nicht viel zu komplex ist, als daß alle Auswirkungen genau vorherbestimmt werden könnten. Das sollte um so mehr gelten, wenn man den damaligen Greenpeace-Zahlen über die in allen Plattformen enthaltenen Materialien glaubt. Danach sollen 2,6 Millio-nen Tonnen Stahl, 184.000 Tonnen Nirostahl, 193.000 Tonnen Aluminium, 174.000 Tonnen Kupfer, 10.500 Tonnen Zink, 1.800 Tonnen Blei, 2.200 Tonnen schwach-radioaktive Substanzen, 400 Tonnen Industriegase sowie 20 Tonnen krebserregende Polychlorbiphenyle in den Bohrinseln enthalten sein. Vgl. dazu Greenpeace Magazin 4/96, Hamburg, S.34.

[5] Vgl. Amery, C. (1991), Die ökologische Chance, München, S.114.

 

 

 

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