Wie die Rubriken der Internetseite gezeigt haben, ist die Umweltkrise nicht mit einer Einzelmaßnahme lösbar. Nur mehrere parallel verfolgte Lösungsansätze können der Komplexität der Umweltprobleme gerecht werden.
INHALT
Ethische Selbstverpflichtung von Unternehmen und Konsumenten
Bedeutung einer anthropozentrischen Umweltethik im weiteren Sinne
Die nachfolgende Grafik zeigt mögliche Ansatzpunkte und Lösungen, wie die langfristige Zerstörung der Natur im Sinne aller Lebewesen und künftiger Generationen gestoppt werden kann:
Bild: Acht Lösungsansätze für die weltweite Umweltkrise
(Konsumentenethik, Unternehmensethik, Freier Welthandel,
Anthropozentrische Umweltethik im
weiteren Sinne, ökologische Produktinformationen, Schutz von
Ökosystemen mit globaler Bedeutung, Stopp des
Bevölkerungswachstums, ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft) zur
Lösung der nationalen und internationalen Umweltprobleme *
In welchem Verhältnis stehen diese Lösungsansätze zueinander und wie sind sie zu gewichten?
Nachfolgend wird die Frage beleuchtet, welche positive Wirkung die Festlegung ökologischer Rahmenbedingungen für die Wirtschaft auf die Lösung der Umweltkrise haben kann.
Weiter wird zu klären sein, ob ökologischen Rahmenbedingungen natürliche Grenzen gesetzt sind und ob bei ihrer Festlegung das Konzept einer Nachhaltigen Entwicklung als Leitlinie dienen könnte.
Ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft können zwei potentiell positive
Auswirkungen haben:
Die Kosten des Verbrauches freier Naturgüter werden mehr auf die Verbraucher umgelegt und damit einem Marktversagen im Naturschutz und Umweltschutz entgegengewirkt (vgl. » Umweltkosten).
Die Ausrichtung auf quantitatives Wachstum wird zunehmend durch qualitatives Wachstum ersetzt.
Quantitatives Wachstum in einem Wirtschaftssystem bezieht sich auf die rein mengenmäßige
Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktion.
Qualitatives Wachstum in einem Wirtschaftssystem bezieht sich zum Beispiel auf eine Zunahme des Naturschutzes, des » Tierschutzes, der Zufriedenheit oder der Einkommensgerechtigkeit.
Somit lässt sich festhalten, dass ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft neben der Stärkung des Verursacherprinzips die Bewertungsmaßstäbe in einem Wirtschaftssystem neu ausrichten können:
Anders als heute würden eine intakte und möglichst schadstofffreie Natur oder die Beachtung des Tierwohls als Wohlstandserhöhung eines Landes verstanden werden.
Ebenso würde der geringere Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe bei der Produktion und dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen als Wohlstanderhöhung eines Landes verstanden werden.
Zur Bestimmung ökologischer Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bietet sich das Konzept einer Nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development) an – eher als Leitlinie und weniger als Richtlinie.
Denn bei der praktischen Umsetzung dieses Konzepts ergeben sich folgende Schwierigkeiten:
Die Regenerationsfähigkeit und die Regenerationszeit der Natur müssten genau bestimmbar sein
Der Fortschritt der technischen Effizienz müsste genau bekannt sein
Alle Verwendungsmöglichkeiten von nicht erneuerbaren Rohstoffen müssten bekannt sein
Die exakte Abgrenzung erneuerbarer und nicht erneuerbarer Rohstoffe müsste möglich sein
Diese Voraussetzungen sind in der Praxis nicht gegeben, weshalb das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung nur als Leitlinie einen Beitrag zur Lösung der Umweltkrise leisten kann, wenngleich einen durchaus wichtigen.
Ferner bietet die Orientierung an diesem Konzept einen weiteren unbestreitbaren Vorteil. Denn mit etwas lässt sich eine Nachhaltige Entwicklung ganz sicher nicht vereinbaren: mit Kriegen.
Die Wirkungen von ökologischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zur Lösung der Umweltkrise sind begrenzt.
Zum einen kann es zu Verzerrungen des Wettbewerbs bei nationalen Alleingängen kommen, solange nicht weltweit einheitliche, ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gelten.
Zum anderen wäre es fatal, wenn die Menschheit erst durch Rahmenbedingungen für die Wirtschaft dazu gezwungen werden müsste, sich ökologisch zu verhalten.
Denn mit einer Umweltethik auf Anordnung dürfte die Menschheit ökologisch langfristig verloren sein.
Die Grenzen einer solchen Ethik wären spätestens dann erreicht, wenn die Probleme in der Natur und Umwelt so groß geworden sind, dass kein anderer Ausweg als zu handeln bleibt.
Angenommen, es wäre zu diesem Zeitpunkt noch ein weltweiter Kurswechsel möglich, so müsste dieser erst einmal von der Weltgemeinschaft beschlossen werden.
Dabei können folgende Probleme auftreten:
Erstens dürfte es schwer sein, Mehrheiten für einschneidende ökologische Maßnahmen zu finden, weil es vermutlich verschiedene Meinungen darüber geben wird, welche Maßnahmen am besten zur Lösung der Umweltkrise beitragen.
Zweitens sind die Verursacher von Naturbelastungen nicht immer eindeutig bestimmbar.
Drittens bestimmt die Wirtschaftskraft von Ländern ihren jeweiligen Handlungsspielraum bei ökologischen Kurskorrekturen. Dieser ist bei ärmeren Ländern geringer als bei reicheren Industrieländern. Die Maßnahmen müssten sich also an den wirtschaftlich schwächsten Ländern orientieren.
Viertens käme es zu Verzögerungen: zuerst muss die Dringlichkeit einer ökologischen Kurskorrektur erkannt werden, dann gilt es eine politische Einigkeit über die zu ergreifenden Maßnahmen zu finden und schließlich vergeht noch einmal Zeit, bis die Maßnahmen greifen. Zu diesem Zeitpunkt könnte es jedoch bereits zu spät sein für eine ökologische Kurskorrektur.
Aus diesen Gründen können ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft nur
ein Teilstück für die Lösung der Umweltprobleme darstellen.
Ferner ist es fraglich, ob es überhaupt möglich ist, den weltweiten Naturschutz und die Nutzung überregionaler Ökosysteme allein mit Gesetzen bzw. Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu regeln.
Schon Aristoteles vertrat die Ansicht, dass das Recht nur in
allgemeinen Sätzen formuliert sein kann, weil das Leben zu vielseitig
ist, als dass ihm Gesetze gerecht werden könnten:
„Dies ist auch die Ursache davon, dass nicht alles gesetzlich geregelt wird, da man über einige Dinge unmöglich Gesetze geben kann; da bedarf es denn besonderer Beschlüsse.“
(Aristoteles, 384–322 v. Chr., Nikomachische Ethik, fünftes Buch) [1]
Regelungslücken in den ökologischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind deshalb unvermeidbar.
Denn sowohl das Wirtschaftsleben als auch Ökosysteme, die sich wechselseitig beeinflussen, sind zu vielseitig, um sie durch Regelungen vollständig erfassen zu können.
Die Bedeutung und Wirkung ökologischer Rahmenbedingungen sollten also nicht überschätzt werden.
Nachfolgend wird die Frage beleuchtet, welche Bedeutung eine ethische Selbstverpflichtung von Unternehmen und Konsumenten als Lösungsansätze für die Natur- und Umweltprobleme haben könnte.
Eine ökologisch ausgerichtete Konsumentenethik kann als Selbstverpflichtung von Konsumenten zum Ausdruck kommen, über die geltenden Bestimmungen hinaus die Belange von Pflanzen, Tieren oder der unbelebten Natur zu berücksichtigen.
Konsumenten tragen durch ihre Entscheidungen,
welche Produkte sie kaufen,
wie oft sie diese Produkte nutzen,
auf welche Weise sie diese Produkte nutzen und
wie sie diese Produkte entsorgen
maßgeblich zu den Problemen und Belastungen in der Natur bei.
Allerdings können Konsumenten nicht immer für die negativen Auswirkungen ihrer Konsumentscheidungen auf die natürliche Umwelt verantwortlich gemacht werden.
Den Einzelnen ist es oft nicht möglich, die komplexen Zusammenhänge in der Natur zu verstehen und auf diese angepasst zu reagieren. Sei es, weil ihnen die Zeit, das Geld oder das Wissen fehlen.
Hinzukommt, dass für viele Naturgüter keine Preise festgelegt sind, die deren Knappheiten signalisieren und an denen die Konsumenten die „Naturkosten“ ihrer Konsumentscheidungen beurteilen können.
Auf dieses Manko hat bereits 1992 der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker hingewiesen:
„Der bürokratische Sozialismus ist zusammengebrochen, weil er keine
Preise zuließ, welche die wirtschaftliche Wahrheit spiegeln. Die
Marktwirtschaft kann die Natur und letzten Endes sich selbst zugrunde
richten, wenn sie nicht zulässt, dass die Preise der ökologischen
Wahrheit entsprechen.“
(Ernst Ullrich von Weizsäcker) [2]
Erst wenn die Preise der ökologischen Wahrheit entsprechen, können Konsumenten ökologische Entscheidungen treffen, beim » Einkaufen oder beim Konsumverzicht.
In einer Marktwirtschaft ist es von Bedeutung, wie Konsumenten ihr Geld verwenden, denn Unternehmen produzieren nur Produkte, die nachgefragt werden und sich auf Märkten absetzen lassen.
Einfach ausgedrückt, befinden sich alle Produkte im Sortiment von Online-Shops und Supermärkten, nur deshalb dort, weil es Kunden gibt, die sie kaufen.
Alle Produkte, die niemand mehr kauft, würden nach kürzester Zeit aus dem Sortiment genommen werden.
Die Entscheidung der Konsumenten an der Ladenkasse oder in Online-Bezahlsystemen hat folglich eine Schlüsselfunktion für eine nachhaltige Entwicklung mit mehr Naturschutz, Umweltschutz und Tierschutz.
Bei ihrer Entscheidung können Konsumenten durch ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und ökologische Produkt-Informationen (vgl. weiter unten) unterstützt werden.
Darüber hinaus entscheiden Konsumenten individuell, ob sie ggf. höhere Preise oder Nutzen- und Gebrauchsnachteile beim Kauf von ökologischen und tierfreundlichen Produkten in Kauf zu nehmen.
Eine ökologisch ausgerichtete Unternehmensethik kann als Selbstverpflichtung von Unternehmen zum Ausdruck kommen, über die geltenden Bestimmungen hinaus die Belange von Pflanzen, Tieren und der unbelebten Natur zu berücksichtigen.
Unternehmen tragen durch ihre Entscheidungen,
wie sie Produkte herstellen,
welche Produkte sie herstellen,
wie ihre Produkte entsorgt werden können oder
wie ihre Produkte bei der Nutzung die Natur belasten
maßgeblich zu den Belastungen und Problemen in der Natur bei.
Wenn Unternehmen ihre Verantwortung für die Natur, Umwelt oder das Tierwohl erkennen, können sie über die geltenden ökologischen Rahmenbedingungen der Wirtschaft hinaus einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Umweltkrise leisten (vgl. » Fallbeispiel Steilmann).
Für Unternehmen können sich durch eine ökologische Unternehmensethik folgende Vorteile ergeben:
Langfristige Existenzsicherung, Umsatzsicherung, Mitarbeitermotivation, Kostenvorteile im Umweltmanagement und Wettbewerbsvorteile.[3]
Allerdings können sich für Unternehmen, die ihre Produkte nachhaltig umweltfreundlich und tierfreundlich herstellen, aus mehreren Gründen » Vermarktungsprobleme ergeben.
Das Risiko, dass diese Vermarktungsprobleme die Existenz eines Unternehmens gefährden, kann durch ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verringert werden.
Hierzu zählen globale Abkommen im Bereich des Naturschutzes, Umweltschutzes und Tierschutzes.
Ebenso können die Konsumenten dazu beitragen, dass es nicht zu existenzgefährdenden Vermarktungsproblemen von nachhaltig umweltfreundlich hergestellten Produkten kommt.
Hierzu zählt eine veränderte Konsumentenethik, verbunden mit der Bereitschaft,
für naturfreundliche, umweltfreundliche, tierfreundliche Produkte höhere Preise zu bezahlen und
ggf. geringere Nutzen- und Gebrauchseigenschaften ökologischer Produkte in Kauf zu nehmen.
Inwieweit eine veränderte Konsumentenethik und Unternehmensethik zur Lösung der Umweltkrise beitragen können, wird durch die Erkenntnisfähigkeit von Konsumenten und Unternehmen bestimmt.
Konsumentscheidungen und Produktionsentscheidungen sind ethisch erst beurteilbar, wenn ihre jeweiligen Konsequenzen auf die Natur, die Umwelt und das Tierwohl bekannt sind.
Allerdings dürften Konsumenten und Unternehmen in der Praxis nicht immer wissen,
ob und in welchem Umfang die folgenden Aspekte der Umweltkrise von ihren Entscheidungen
betroffen sind:
Abholzung tropischer Regenwälder wegen Rohstoffen wie Holz und
Papier oder der Umwandlung von Flächen in Plantagen für
landwirtschaftliche Produkte wie Kaffee, Palmöl, Soja und Rindfleisch
Verschmutzung der Weltmeere mit Plastikmüll und anderen Giften wie Erdöl oder Quecksilber
Luftverschmutzung, Grundwasserverschmutzung, Vergiftung von Böden, Vergiftung von Bächen, Flüssen und Seen, Versteppung von Landschaften
Keine Berücksichtigung von Interessen künftiger Generationen beim Abbau nicht erneuerbarer Rohstoffe, Verringerung der Artenvielfalt oder nicht umkehrbarer Naturzerstörung
Beeinträchtigung des Tierwohls durch Tiertransporte, Tierversuche und Massentierhaltung
Übervorteilung und keine Berücksichtigung der Interessen von Entwicklungsländern
Eine ökologisch ausgerichtete Konsumentenethik und Unternehmensethik
verbunden mit ökologischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind
Teilstücke einer Lösung der Umweltkrise und ergänzen
einander.
Ökologische Produktinformationen können dazu beitragen, dass Konsumenten beim Einkaufen leichter naturfreundliche und umweltfreundliche Entscheidungen treffen können.
In folgenden Bereichen bieten sich genauere Produktinformationen an:
Herstellung: Energieverbrauch, Rohstoffverbrauch und weitreichende Angaben zu Inhaltsstoffen, verwendeten Vorprodukten und Verpackungsmaterial (zum Beispiel Verzicht auf Plastik)
Transport: zurückgelegte Transportwege, verwendete Transportmittel und Transportverpackung
Nutzung: Angaben zu Energieverbrauch, Schadstoffausstoß, Verschleiß und Langlebigkeit
Entsorgung: Recyclingmöglichkeiten, ökologische Entsorgungskosten und weitere Kennzahlen
Noch schreiben staatliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft solche
fundierten, ökologischen Produkt-Informationen nicht bzw. nur
geringfügig vor.
Solange das so ist, können eine ökologisch orientierte Unternehmensethik und Konsumentenethik bewirken, dass diese fundierten Produktinformationen dennoch Einzug in der Wirtschaft halten.
Zum Beispiel, weil Unternehmen sie freiwillig offenlegen (vgl. » Fallbeispiel Steilmann) oder weil Konsumenten die Produkte beim Einkaufen bevorzugen, die diese Produkt-Informationen offenlegen.
Auf diese Weise können Konsumenten Druck auf die Märkte ausüben und das Angebot beeinflussen.
Weiterführende ökologische Produkt-Informationen können auch Umweltzeichen wie Öko-Label und Bio-Siegel bereitstellen, die es bereits heute für nachhaltig umweltfreundliche Produkte gibt.
Für den Tierschutz und das Tierwohl können Produktinformationen folgendermaßen erweitert werden:
Herstellung: Verzicht auf Tierversuche, Massentierhaltung und tierische Inhaltsstoffe
Transport: Verzicht auf Tiertransporte
Diese Informationen erleichtern es Konsumenten, tierfreundliche Konsumentscheidungen zu treffen.
Nachfolgend werden zwei » globale Ökosysteme beleuchtet, deren Schutz von weltweiter Bedeutung für die Lösung der Umweltkrise ist: die Weltmeere (Ozeane) und die tropischen Regenwälder.
Die Rodung der größten drei tropischen Regenwald-Gebiete in Südamerika (Amazonas), Südostasien (Neuguinea) und Westafrika (Kongobecken) hat dramatische Ausmaße angenommen.[4]
Und das trotz ihrer Bedeutung für künftige Generationen als wertvolle Sauerstoff-Lieferanten oder als größte unerforschte und unersetzbare genetische Reserve auf der Erde.[4]
Erschwerend kommt hinzu, dass der Boden tropischer Regenwälder oft nur eine dünne Humusschicht aufweist und nach einer Rodung von Monsunregen ausgewaschen wird.[5]
Infolge der Bodenerosion bleibt schließlich ein nährstoffarmer, unfruchtbarer und wüstenähnlicher Boden zurück, auf dem neues Pflanzenwachstum nur schwer bis gar nicht mehr möglich ist.
Ferner sind Regenwaldflächen nach Rodungen gefährdeter für Dürren, Waldbrände und Niedergang als unberührte tropische Regenwälder.[6]
Bild: Unberührter tropischer Regenwald im Bundesstaat Amazonas in Brasilien
Ein Schutz der Regenwälder in den Tropen vor Rodung ist vermutlich nur möglich, wenn sie in konsequent kontrollierte Naturschutzgebiete umgewandelt werden.
Um die Länder, in denen sich diese tropischen Regenwälder befinden, dazu zu bewegen, ihre Regenwälder nicht mehr wirtschaftlich zu nutzen, bleibt nur, ihnen einen finanziellen Ausgleich anzubieten.
Sei es dafür, weil sie die Regenwälder zur Gewinnung von Rohstoffen wie Bodenschätze (Bauxit, Coltan, Öl, Gold), Edelholz, Gewürze (Kakao, Pfeffer, Zimt) oder Obst (Ananas, Bananen) nutzen.
Oder sei es, weil sie Regenwald roden zur Gewinnung von
Ackerfläche für den Anbau von Ölpalmen zur Palmöl-Gewinnung,
Ackerfläche für den Anbau von Sojabohnen oder
Weideflächen für die Rinderzucht.
Allerdings stellt sich die Frage, wer sonst außer den Industrieländern finanziell in der Lage ist, den Entwicklungsländern
Ausgleichszahlungen zum Schutz der tropischen Regenwälder anzubieten.
Eingedenk dessen scheint ein Umdenken in den Industrieländern alternativlos zu sein, ob und wie sie zukünftig ihre Finanzmittel im Sinne eines weltweiten Naturschutzes verwenden können (vgl. ausführlichere Erläuterungen im Kapitel » Stopp der Abholzung tropischer Regenwälder).
Nicht zu vergessen, dass durch Rodungen der tropischen Regenwälder eingeborene Völker, seltene Tierarten und Ökosysteme ihren natürlichen Lebensraum verlieren.
Bild: Vom Aussterben bedrohter Sumatra-Tiger (Panthera tigris sumatrae), die kleinste noch lebende Unterart des Tigers
Neben der Verschmutzung der Ozeane mit Chemikalien, Erdöl, Düngemitteln, Schwermetallen, Lärm oder Radioaktivität hat v. a. ihre Verschmutzung mit Plastikmüll dramatische Ausmaße angenommen.
So haben sich die größten Konzentrationen von Plastikmüll mittlerweile in den fünf größten Strudeln der Meere in kaum vorstellbarem Ausmaß angesammelt:
Im indischen, nordatlantischen, südatlantischen, nordpazifischen und südpazifischen Müllstrudel.[7]
Dabei ist der nordpazifische Müllstrudel, der unter dem Namen „Great Pacific Garbage Patch (GPGP)“ bekannt wurde, der größte von ihnen:
Er befindet sich zwischen Hawaii und Kalifornien und erreichte im Jahr 2015/2016 eine Größe, die etwa der 4,5-fachen Fläche der Bundesrepublik Deutschland entspricht.[8]
Plastikmüll in den Ozeanen ist mit erheblich negativen Auswirkungen für die Natur, Meereslebewesen und Gesundheit der Menschen verbunden (vgl. » Welche Folgen hat Plastik im Meer?).
Ein Großteil des Plastikmülls wird von Entwicklungsländern und
Schwellenländern – allen voran China – in die Weltmeere eingeleitet.[9] Sei
es, weil sie
nicht über eine effektive und nachhaltige Abfallverwertung verfügen,
keine nachhaltigen Rohstoffe für Produkte und Verpackungen verwenden oder
keine gezielte Abfallvermeidung betreiben, um insgesamt die Abfallmenge zu verringern.
Der Grund hierfür dürfte sein, dass eine
ökologische Müllentsorgung im Vergleich zu einer unkontrollierten
Müllentsorgung in den Ozeanen mit erheblichen Zusatzkosten verbunden ist.
Wie im Kapitel » Widerstände gegen Reformen erläutert, hat die Beseitigung von Armut und Hunger in den Entwicklungsländern und die Erreichung von Wohlstand in den Schwellenländern Vorrang vor dem Naturschutz.
Foto:
Verschmutzung des Strandes Kanapou Bay mit Plastikmüll auf der Insel
Kahoʻolawe der Inselkette Hawaii im Pazifischen Ozean
Ähnlich wie beim Schutz der Regenwälder stellen sich beim Schutz der Weltmeere folgende Fragen:
Wer außer den Industrieländern kann finanziell und technologisch die Entwicklungsländer und Schwellenländer bei der Einführung einer ökologischen Müllentsorgung unterstützen?
Wer außer den Industrieländern kann ein weltweites Kontrollsystem für die Ozeane einführen, damit Schiffe auf hoher See nicht unkontrolliert Giftstoffe oder Plastikmüll entsorgen können?
Wer außer den Industrieländern kann ein weltweites Kontrollsystem einführen, damit über Grundwasser und Flüsse nicht unkontrolliert Giftstoffe oder Plastik in die Ozeane gelangen können?
Zwar gibt es das internationale MARPOL-Abkommen zur Verhütung der
Meeresverschmutzung durch Schiffe, welches das Entsorgen von Plastik in
den Meeren seit Jahrzehnten verbietet.
Trotzdem zeigen Studien aus den Jahren 2018 und 2019, dass noch immer eine schiffsseitige Entsorgung von Plastikmüll stattfindet und damit keine effektive Überprüfung des MARPOL-Abkommens.[10]
Dabei gelangt der Plastikmüll etwa zu 20 Prozent über die Schifffahrt und zu 80 Prozent über das Festland und die dortigen Flüsse in die Ozeane und an die Küstengebiete.[11]
Angesichts der heutigen technischen Überwachungsmöglichkeiten sollten weltweit keine Schiffe mehr einen Hafen verlassen und ansteuern können, ohne dass deren Ladung strikten Kontrollen unterliegt.
Gleiches gilt für eine strikte Kontrolle von Meeresküsten und Meereszuflüssen zum Schutz der Ozeane, um Missmanagement in der Abfallentsorgung aufzudecken und weltweit zu verhindern.
Einzig am Willen scheint es gegenwärtig noch zu fehlen, diese lückenlosen und konsequenten Kontrollen durchzuführen und den Schutz der Ozeane vor Plastikmüll zur Chefsache zu erklären.
Nicht zu vergessen der sogenannte Mülltourismus, bei dem Industrieländer einen Teil ihres Mülls in Entwicklungsländer und Schwellenländer exportieren.
Weil China seit 2018 praktisch keinen Import von Plastikmüll mehr zulässt, finden verstärkt Müllexporte in andere asiatische Länder, insbesondere Indonesien, Malaysia, Thailand und Vietnam statt.[12]
Drittgrößter Plastikmüll-Exporteur hinter den USA und Japan ist die Bundesrepublik Deutschland.[13]
Dass nach wie vor Müllexporte von Industrieländern in Entwicklungsländer stattfinden, ist umso erstaunlicher im Fall der Bundesrepublik Deutschland und von Japan.
Denn beide sind dem sog. Basler Übereinkommen von 1992 zur Verhinderung von Abfallexporten beigetreten.
Das Beispiel der Müllexporte von Japan, der Bundesrepublik Deutschland und den USA in andere Länder zeigt das Grundproblem auf, unter dem der weltweite Naturschutz nach wie vor leidet.
Noch immer gibt es kein Verbot von Müllexporten, das folgende Kriterien erfüllt:
Alle Länder auf der Welt sind dazu verpflichtet, den von ihnen innerhalb ihrer Landesgrenzen produzierten Müll auch vollständig innerhalb ihrer Landesgrenzen umweltgerecht zu entsorgen.
Durch Nutzung der heutigen staatlichen Überwachungsmöglichkeiten wird lückenlos sichergestellt, dass kein Land auf der Welt das Verbot von Müllexporten mehr unterlaufen kann.
Ökologischer Etikettenschwindel, mit dem sich Länder umweltfreundlicher darstellen, als sie in Wahrheit sind, oder rücksichtslose Müllexporte von Ländern werden verpflichtend in der Weltpresse veröffentlicht.
Eines dürfte feststehen: Menschen in den Ländern, die innerhalb ihrer Landesgrenzen große Anstrengungen im Naturschutz unternehmen und es billigend in Kauf nehmen, dass ihr eigener Müll in Länder mit weniger strengen Müllvorschriften exportiert wird, haben noch nicht die Bedeutung des weltweiten Naturschutzes erkannt.
Wie sich zuvor bei der drohenden Zerstörung der Tropenwälder und Weltmeere gezeigt hat, ist eine stärkere globale Ausrichtung der Industrieländer notwendig, die sich bisher in erster Linie auf den Umweltschutz innerhalb ihrer eigenen Grenzen konzentriert haben.
Die verkürzte globale Perspektive zeigt sich bei der Festlegung strengerer Abgasnormen für Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor in den Industrieländern der EU oder in den USA und Japan.
In der Vergangenheit konzentrierten sich der weltweite Bestand und die weltweite Zunahme von PKWs auf die Industrieländer.
So ist in dem Zeitraum zwischen 1970 und 1990, in dem die Weltbevölkerung von 3,6 Mrd. auf 5,3 Mrd. Menschen angewachsen ist, die Zahl der Autos weltweit von 250 auf 560 Millionen gestiegen.[14]
Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung auf 7,2 Mrd. Menschen bis zum Jahr 2013 stieg in der Folge auch die Zahl der Autos weltweit auf 900 Millionen.[15]
Aufgrund der hohen automobilen Dynamik in den Schwellenländern soll nach der MoMo-Studie der Internationalen Energieagentur die Zahl der Autos bis zum Jahr 2035 weltweit auf 1,7 Mrd. steigen.[16]
Bis zum Jahr 2050 soll die Zahl der Autos auf 2,9 Mrd. steigen, wobei der Zuwachs nicht in den Industrieländern stattfinden wird, denn die bislang geltende 30 zu 70 % Verteilung von Autos auf die Entwicklungsländer und Industrieländer wird sich bis dahin umgekehrt haben.[17]
Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob die Festlegung noch strengerer Abgasnormen für neue PKWs in den Industrieländern rational sein kann im Sinne des weltweiten Umweltschutzes.
Wäre es nicht rationaler, die den Industrieländern zur Verfügung stehenden Finanzmittel zuerst für die Einführung einer weltweit geltenden Abgasnorm „World“ einzusetzen, die den Abgasnormen entspricht, die bereits in den Industrieländern gelten?
Denn die zu erwartende weltweite Verdoppelung der Zahl von PKWs von 2013 bis 2035 begründet sich nur durch eine Zunahme von PKWs in den Entwicklungsländern und Schwellenländern und nicht durch eine Zunahme von PKWs in den Industrieländern.
Das liegt einerseits daran, dass die Entwicklungsländer und Schwellenländer zunehmend eine industrialisierte westliche Lebensweise übernehmen und andererseits daran, dass nur dort ein Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren stattfinden wird (vgl. nächstes Kapitel).
Längst hat sich abgezeichnet, dass 1,4 Mrd. Afrikaner, 1,4 Mrd. Chinesen und 1,4 Mrd. Inder dabei sind, das Konsumverhalten und die Mobilität der Industrieländer zu übernehmen.
Paradoxerweise werden Gebrauchtfahrzeuge in den Industrieländern, die den neuen und strengeren Abgasnormen nicht mehr entsprechen, in Länder exportiert, in denen keine oder niedrigere Abgasnormen gelten, wie im Nahen Osten oder in Afrika, Osteuropa und Südamerika.
Warum es eine Rolle spielen soll, in welchem Land der Erde Fahrzeuge, die nicht die strengeren Abgasnormen erfüllen, bis zum Erreichen ihres Produktlebensende fahren, erschließt sich nicht.
Eines dürfte feststehen: Industrieländer, die innerhalb ihrer eigenen Grenzen große Anstrengungen zur Verschärfung von Abgasnormen unternehmen und parallel dazu ihre Altfahrzeuge in Dritte-Welt-Länder exportieren, haben noch nicht die Bedeutung eines weltweiten Umweltschutzes erkannt.
Angenommen, die finanziellen Mittel für eine weitere, relativ geringe Verbesserung von Abgaswerten in den Industrieländern würden stattdessen in eine Verbesserung von Abgaswerten in den Entwicklungsländern investiert werden.
Dadurch ließe sich eine ungleich größere Reduktion des globalen Schadstoffausstoßes und globalen Kraftstoffverbrauchs erreichen und damit eine größere Verbesserung des globalen Umweltschutzes.
Die Industrieländer sollten also künftig ihre Finanzmittel für den Umweltschutz so einsetzen, dass ein weltweites Gleichgewicht im Naturschutz aller Länder auf der Erde erreicht wird.
Um bei dem Beispiel von Abgasnormen zu bleiben, könnte eine Neuausrichtung der Industrieländer auf die Verbesserung des globalen Umweltschutzes also Folgendes bedeuten:
Sie verschärfen die Abgasnormen innerhalb ihrer eigenen Grenzen erst dann, wenn ihre bereits bestehenden Abgasnormen auch in allen Schwellen- und Entwicklungsländern eingeführt worden sind.
Um dieses Ziel zu erreichen, könnten die Industrieländer den Entwicklungsländern zum Beispiel moderne, sparsame Fahrzeuge oder nachhaltige Verkehrskonzepte vergünstigt zur Verfügung stellen.
Noch ist kein Umdenken in den Industrieländern im Sinne eines globalen Naturschutzes erkennbar, weshalb für sie in erster Linie der Umweltschutz innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen zählt.
Fast könnte man meinen, in den Industrieländern bestünde die Vorstellung, es gäbe um ihre Landesgrenzen herum unsichtbare Wände, die bis in die Stratosphäre hoch reichen.
Doch es gibt nur eine Erde und es geht längst nicht mehr darum, wie viele Schadstoffe ein einzelnes Land ausstößt, sondern darum, wie viele Schadstoffe insgesamt auf der Welt ausgestoßen werden.
Es bleibt zu hoffen, dass ein Bewusstseinswandel in den Industrieländern stattfindet über die Bedeutung globaler Schadstoffnormen und die Dringlichkeit eines Schutzes von globalen Ökosystemen.
Dieser Bewusstseinswandel würde dann auch den Schutz der Weltmeere und Tropenwälder beinhalten, der zum Beispiel in keiner Weise von der Einführung einer „Euro-7-Norm“ in der EU oder strengerer Abgasnormen in anderen Industrieländern profitiert.
Neben den bereits erwähnten Maßnahmen und Ansätzen sind zur Lösung der Umweltkrise auch globale Aspekte wie ein Stopp des Bevölkerungswachstums in den nächsten Jahrzehnten von Bedeutung.
Denn mehr Menschen in einer zunehmend industrialisierten Welt haben einen größeren Bedarf an Energie, Rohstoffen oder Nahrungsmitteln und bewirken einen höheren globalen Schadstoffausstoß und ein höheres Müllaufkommen.
Wie beim Straßenverkehr wird auch die Zunahme der Weltbevölkerung in diesem Jahrhundert nicht in den Industrieländern stattfinden, sondern in den Entwicklungsländern:
Während die Bevölkerungszahl in den Industrieländern bei etwa 1,3 Mrd. Menschen verharren soll, gehen Schätzungen davon aus, dass sie in den Entwicklungsländern und Schwellenländern von 5,9 Mrd. (2013) auf 8,5 Mrd. (2050) und 9,6 Mrd. (2100) wachsen wird.[18]
Das erhöht den Druck auf die Entwicklungsländer und Schwellenländer, ihre Naturressourcen weiter wirtschaftlich zu nutzen – was gerade in Hinblick auf die Länder hochproblematisch ist, in denen sich die tropischen Regenwälder befinden.
Außerdem erhöht das Bevölkerungswachstum die Dringlichkeit, in den Entwicklungsländern und Schwellenländern ein effektives Abfallmanagement zum Schutz der Weltmeere einzuführen.
Deshalb ist ein Stopp des Bevölkerungswachstums ein wichtiges Teilstück zur Lösung der Umweltkrise.
Grafik: Schätzung der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 nach verschiedenen Szenarien der Vereinten Nationen (UNO) [19]
Ein freier Welthandel ermöglicht es den Entwicklungsländern, ihre Waren auf dem Weltmarkt zu fairen Preisen zu verkaufen, um so an wichtige Devisen zur Tilgung ihrer Schulden zu gelangen.
Damit im Zusammenhang stehen subventionierte Agrarexporte der Industrieländer zu Dumpingpreisen in die Entwicklungsländer, mit denen Dritte-Welt-Bauern nicht konkurrieren können.
So brach zum Beispiel vor Jahrzehnten im Senegal der einst blühende Hirse-Markt unter dem Preisdruck subventionierter Weizenimporte aus Frankreich zusammen.[20]
Um eine Verbesserung im weltweiten Naturschutz zu erreichen, gilt es auch, die Armut und Verschuldung der Entwicklungsländer abzubauen, um dort die armutsbedingte Naturzerstörung zu stoppen.
Ein Abbau von Armut und Verschuldung der Entwicklungsländer geht einher mit einem Abbau des Handelsprotektionismus in erster Linie von China, den USA und der Europäischen Union (EU).
Denn der Handelsprotektionismus der Industrieländer treibt die Entwicklungsländer weiter in die Armut und lässt die Tilgung ihrer Schulden in weite Ferne rücken.
Als Folge dessen bleibt den Entwicklungsländern der Zugang zu kostspieliger Umwelttechnologie und nicht minder kostspieligen, drängenden Naturschutz-Maßnahmen versperrt (vgl. » Handlungsmöglichkeiten der Industrieländer).
Dem freien Welthandel zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation vieler Entwicklungsländer kommt somit eine Schlüsselfunktion für mehr weltweiten Naturschutz zu.
Denn eines hat sich eindeutig gezeigt in Entwicklungsländern oder in ehemals planwirtschaftlich gesteuerten Ländern wie der DDR und der Sowjetunion: Naturschutz muss man sich leisten können.
Abschließend bleibt die Frage, welcher der vier Umweltethik-Ansätze am ehesten zur Lösung der Umweltkrise beitragen kann. Ob die » Anthropozentrik, » Pathozentrik, » Biozentrik oder » Ökozentrik.
Wie sich in der » Diskussion umweltethischer Ansätze gezeigt hat, sind alle Ansätze, die nicht nur Menschen eigene Rechte zugestehen, schwer umsetzbar und durchsetzbar.
Die Schwierigkeit der Umsetzbarkeit und Durchsetzbarkeit von Rechten nimmt zu, je mehr anderen Lebewesen (Pflanzen, Tiere) oder der unbelebten Natur eigene Rechte zugesprochen werden.
Hinzukommt ein weiterer wichtiger Zusammenhang, auf den bereits der deutsche Philosoph Otfried Höffe in seinem Lexikon der Ethik hingewiesen hat:
Je weniger man den Menschen einen überlegenen Rang einräumt, umso weniger kann man von ihnen verlangen, sich gegenüber Nichtartgenossen wie Tieren oder Pflanzen sittlich zu verhalten.[21]
Von allen umweltethischen Ansätzen kann somit zur Lösung der Umweltkrise am ehesten eine anthropozentrische Umweltethik im weiteren Sinn beitragen.
Sie gesteht Menschen nicht nur Sonderrechte gegenüber anderen
Lebewesen und der unbelebten Natur zu, sondern verbindet diese
Sonderrechte auch mit Pflichten:
Pflicht der Menschen gegenüber allen Lebewesen aus Gründen der Selbstachtung
Pflicht der Menschen gegenüber der Natur als Bewahrer der Schöpfung
Pflicht der Menschen gegenüber allen lebenden und zukünftig lebenden Menschen
Übertragen auf eine Lösung der Umweltkrise wäre die praktische Anwendung
einer anthropozentrischen Umwelt im weiteren Sinne mit folgenden positiven
Auswirkungen verbunden:
1) Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen
Daraus folgt, dass die Menschen in der Gegenwart ihre Bedürfnisse so
befriedigen, dass deswegen Menschen in der Zukunft ihre Bedürfnisse
nicht
befriedigen können. Diese intergenerative Gerechtigkeit kann sich zum
Beispiel auf den Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe auswirken.
2) Berücksichtigung der Interessen aller Menschen auf der Erde
Daraus folgt, dass die Rechte von Menschen in den Industrieländern und Entwicklungsländern gleichwertig
gehandhabt werden. Dadurch verbieten sich zum Beispiel Müllexporte in die Dritte Welt, die
Vertreibung indigener Völker durch die Abholzung tropischer Regenwälder oder ein Rohstoffabbau in Entwicklungsländern,
der dort zu Naturzerstörung führt, wie zum Beispiel der Lithium-Abbau.
3) Berücksichtigung von Pflanzen um der Menschen willen
Daraus folgt, dass sich die Abholzung tropischer Regenwälder von selbst verbietet
wegen ihres unerforschten, genetischen Potentials oder ihrer Funktion
als bedeutender Sauerstoff-Lieferant auf der Erde.
4) Berücksichtigung von Tieren um der Menschen willen
Daraus folgt, dass sich Tierquälerei aus
Gründen der Selbstachtung der Menschen verbietet. Oder die Vernichtung
seltener Tierarten infolge des Abholzens tropischer Regenwälder
verbietet sich wegen ihres unerforschten, genetischen Potentials –
beispielsweise zur
Entwicklung neuer Medikamente.
5) Berücksichtigung der Natur zur Bewahrung der Schöpfung
Daraus folgt, dass die Menschen als „Krone der Schöpfung“ die Pflicht
zum Hegen und Pflegen der Schöpfung haben. Damit verbietet sich eine
Verschmutzung, Zerstörung und Vergiftung der Natur im Rahmen der
menschlichen Möglichkeiten.
Als ethische Leitlinie kann eine anthropozentrische Umweltethik im weiteren
Sinne somit am ehesten praktikable Lösungsansätze liefern und zur
Lösung der Umweltkrise beitragen.
Weil ihr alleiniger Adressat die Menschen sind, vermeidet sie von vornherein die Schwierigkeiten anderer umweltethischer Ansätze, wie Tiere, Pflanzen oder die Natur eigene Rechte durchsetzen sollen.
Die zuvor thematisierte Verpflichtung der Menschen gegenüber der Schöpfung führt zu der Frage, warum reines Wasser, saubere Luft, nicht verschmutzte Böden, gesunde Wälder, Artenschutz oder Tierschutz nicht selbstverständlich den höchsten Stellenwert für alle Menschen besitzen.
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass viele Menschen die Natur als Mittel zum Zweck betrachten für die Erreichung von kurzfristigen Nutzen- und Gewinninteressen.
Dabei lassen sich die Lösungsansätze der Umweltprobleme auch pragmatisch hinterfragen: Ist die Erde wirklich auf Naturschutz angewiesen? Vermutlich ist sie das nicht:
Die Erde kann ohne Menschen auskommen, doch Menschen können nicht ohne die Erde auskommen.
Zumindest vorerst nicht. Die Erde ist nach heutigem Wissensstand der einzige Planet im Sonnensystem, der die Voraussetzungen für Leben bietet.
Zerstören die Menschen die Natur, dann zerstören sie letztlich ihre eigene Lebensgrundlage. Naturschutz ist somit immer auch Menschenschutz.
In diesem Zusammenhang warnt der Physiker Hans-Peter Dürr davor, Stoffe in die Natur einzubringen, von denen niemand genau weiß, wie das Ökosystem auf sie reagieren wird.[22]
Nur wenn die Menschen Stoffe in die Natur einbringen, die sich von alleine wieder abbauen, hat die Natur auch die Möglichkeit zur Korrektur (vgl. hierzu auch das Problem von Plastik in den Meeren).
Von dieser Warte aus betrachtet scheint ein vorsichtiger Umgang mit der Natur, als Maxime menschlichen Handelns, alleine schon aus Gründen der Selbsterhaltung angebracht zu sein.
Das gilt selbst für die Annahme, dass es gar nicht notwendig wäre, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erde eines Tages für die Menschen unbewohnbar ist oder nicht.
Schließlich könnte es theoretisch möglich sein, dass auf einem fernen Planeten namens Utopia sogar ein „besseres Leben“ als auf der Erde möglich ist.
Nur solange das nicht bekannt ist und keine Möglichkeit besteht, diesen Planeten Utopia erreichen zu können, sollten bis dahin Naturschutz, Umweltschutz und Tierschutz nicht oberste Priorität haben?
Und gesetzt den Fall, dass der Planet Utopia jemals entdeckt wird und alle Menschen die bis dahin vielleicht unbewohnbar gewordene Erde dorthin verlassen können, bliebe eine Frage im Raum stehen:
Nämlich die Frage, ob die Menschen aus umweltethischer Sicht das Recht dazu hatten, die Erde inklusive ihrer Tier- und Pflanzenvielfalt zu zerstören und als Ruine zurückzulassen.
Wäre rückblickend ein solches Verhalten als ethisch vertretbar zu bezeichnen für das „höchst entwickelte Lebewesen“ auf der Erde?
Dagegen ließe sich einwenden, dass auf der Erde vor vierhundert Millionen Jahren nur das Meer belebt gewesen sein soll und auf dem Festland keine Pflanzen, Tiere und Menschen existiert haben sollen.[23]
Entscheidend bei der Bestimmung des Wertes der Natur ist deshalb immer auch, von welcher Evolutionsstufe auf der Erde ausgegangen wird. Dennoch dürfte eines feststehen:
Solange Menschen Naturschutz nicht als Selbstschutz begreifen, ist ihr Vergleich mit Krebszellen nicht von der Hand zu weisen: Krebszellen zerstören bekanntlich das, wovon sie leben, indem sie wachsen.
Die vorgestellten Lösungsansätze der aktuellen Umweltprobleme beinhalten nicht die Frage, welche Bedeutung Kriege für den Umfang der Umweltkrise haben.
Der Grund liegt darin, dass die Frage von Krieg und Frieden den Rahmen der vorliegenden Analyse sprengen würde und für sich alleine genommen Gegenstand einer umfangreichen Abhandlung wäre.
Unabhängig von der Frage nach ihrer Sinnhaftigkeit stellen Kriege mit ihrer weitreichenden Zerstörungswirkung eine immense ökologische Belastung für die belebte und unbelebte Natur dar.
Ferner entstehen im Vergleich zu Friedenszeiten durch Kriege erhebliche ökonomische Mehrkosten:
Vor Kriegsbeginn: Mobilmachung der Streitkräfte und militärische Aufrüstung
In Kriegszeiten: Aufrechterhaltung der Streitkräfte, Unterstützung der Zivilbevölkerung und Rückgang der Wirtschaftsleistung direkt beteiligter Länder und mit ihnen in Handelsbeziehung stehender Länder, die selbst nicht an den Kampfhandlungen beteiligt sind
Nach Kriegsende: Demobilisierung der Streitkräfte, Reparationen, Behandlung und Rehabilitation von Kriegsverletzten, Wiederaufbau zerstörter Gebäude und Infrastruktur, die Renaturierung zerstörter Landschaften und Ökosysteme u. v. m.
Im Ergebnis binden Kriege erhebliche Finanzmittel, die für
Naturschutz- und Umweltschutz-Maßnahmen in einzelnen Ländern und zum Schutz
globaler Ökosysteme wie der Regenwälder und Weltmeere fehlen.
Nicht zu sprechen von dem immensen Leid, das mit Kriegen immer verbunden ist und das schon von der Warte einer anthropozentrischen und pathozentrischen Umweltethik aus nicht vertretbar ist.
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Literaturangaben und Anmerkungen:
[1] Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, fünftes Buch, 1137 b 20–25, in der Übersetzung v. Gigon, Olof (1991), Bibliothek der Antike, Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv) / Artemis Verlag, München, S.228.
[2] v. Weizsäcker, Ernst Ulrich, in: Schmidheiny, Stephan, mit dem Business Council for Sustainable Development (1992): Kurswechsel – Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt, Verlag Artemis & Winkler, München, S.43.
Hinweis: Verbraucherschutzvereine informieren Konsumenten über ökologische Produkteigenschaften.
[3] Vgl. hierzu » ökologische Unternehmensverbände, die Unternehmen mit » Praxis-Leitfäden bei der praktischen Umsetzung einer Unternehmensethik unterstützen und so zur Lösung der aktuellen Umweltkrise beitragen.
[4] Vgl. Erläuterungen im Kapitel » Stopp der Abholzung tropischer Regenwälder.
[5] Siebert, Sebastian; Uhlenbrock, Kristian; Hebold, Wiebke; Pyritz, Eberhard (2019): Infoblatt Ursachen und Folgen der Zerstörung der tropischen Regenwälder, erschienen in: Geografie Infothek, Klett-Verlag, Leipzig, S.3.
[6] Werner, Wolfgang (2003): Toasted Forests – Evergreen Rain Forests of Tropical Asia under Drought Stress, ZEF – Discussion Papers On Development Policy No. 76, Center for Development Research, Bonn, S.2.
[7] Plastikatlas 2019 – Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff, Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Heinrich-Böll-Stiftung, 6. Auflage, ISBN 978-3-86928-200-8, S.28.
[8] Vgl. Studie in der Fachzeitschrift Scientific Reports: Lebreton, L.; Ferrari, F.; Slat, B. et al. (2018): Evidence that the Great Pacific Garbage Patch is rapidly accumulating plastic, Sci Rep 8, 4666, https://doi.org/10.1038/s41598-018-22939-w, S.1/2.
[9] Vgl. Infografik im Kapitel » Welche Länder verschmutzen die Meere am meisten mit Plastik.
[10] Studie 1: Ryan, Peter G./Dilley, Ben J./Ronconi, Robert A./Connan, Maälle (2019): Rapid increase in Asian bottles in the South Atlantic Ocean indicates major debris inputs from ships, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 116 (42), S. 20892-20897.
Studie 2: Smith, Stephen D.A./Banister, Kelsey/Fraser, Nicola/Edgar, Robert J. (2018): Tracing the source of marine debris on the beaches of northern New South Wales, Australia: The Bottles on Beaches program, in: Marine Pollution Bulletin, Volume 126, January 2018 (126), S.304-307.
[11] Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein/Heinrich-Böll-Stiftung Berlin/Le Monde diplomatique (2017): Meeresatlas – Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean, 2. Auflage (auch online beziehbar unter https://meeresatlas.org), S.16.
[12] Plastikatlas 2019 – Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff (2021), Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Heinrich-Böll-Stiftung, 6. Auflage, ISBN 978-3-86928-200-8, S.38.
[13] Ebenda, S.39.
[14] v. Weizsäcker, Ernst Ulrich/Lovins, Amory B./Lovins L. Hunter (1995, 1996), Faktor vier: Doppelter Wohlstand, halbierter Naturverbrauch – Der neue Bericht an den Club of Rome, Verlagsgruppe Droemer Knaur, München, S.286.
[15] Shell Deutschland Oil GmbH (Hrsg.): Shell PKW-Szenarien bis 2040 – Fakten, Trends und Perspektiven für Auto-Mobilität, Hamburg, S.8/9.
[16] Ebenda, S.9.
[17] Kierzkowski, Henryk (2009): A New Global Auto Industry?, Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung (IHEID), Genf/Schweiz, S.27.
[18] Shell Deutschland Oil GmbH (Hrsg.): Shell PKW-Szenarien bis 2040 - Fakten, Trends und Perspektiven für Auto-Mobilität, Hamburg, S.8.
[19] Die prognostizierten Zahlen in der Grafik beziehen sich auf folgende Veröffentlichung: United Nations, Department of Economic and Social Affairs (2022): World Population Prospects 2022, New York, ISBN: 978-92-1-148373-4, S.30/31.
[20] Vorholz, Fritz (1992): Wir sind völlig fehlgesteuert, in: ZEIT-Punkte, 1/92, Ein Gipfel für die Erde – Nach Rio: Die Zukunft des Planeten, S.4.
[21] Höffe, Otfried (1992), Lexikon der Ethik, 4. Auflage, München, S.14.
[22] Dürr, Hans-Peter (1994), Respekt vor der Natur – Verantwortung für die Natur, München, S.49
Anmerkung: Als Beispiel führt Hans-Peter Dürr Tritium an, das in der Natur praktisch nicht vorkommt und das vom Menschen seit geraumer Zeit synthetisch hergestellt wird. Tritium entsteht zum Beispiel durch die Explosion von Nuklearwaffen, weshalb dessen Vorkommen heute um ein Vieltausendfaches angestiegen ist. Weil die Natur keine Erfahrung mit derartigen Stoffen hat, plädiert Hans-Peter Dürr für höchste Vorsicht und Verantwortung beim Umgang mit ihnen.
[23] Ebenda, S.54.
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