Welche Rolle spielt der Nutzungsausschluss bei freien Gütern für die » Lösung der Umweltkrise? Was sind typische Beispiele für Umweltkosten? Was versteht man unter der Internalisierung negativer externer Effekte?
INHALT
Für Naturgüter wie Wasser, Luft, Boden, Artenvielfalt, Landschaften oder Ökosysteme bilden sich auf Märkten keine Preise, die wirkliche Knappheiten in Form von Umweltkosten zum Ausdruck bringen.
Durch die Nutzung von Naturgütern infolge menschlicher Eingriffe in die Natur entstehen Umweltkosten, die auf verschiedene Ursachen zurückführbar sind:
So entstehen Umweltkosten (englisch: environmental costs) durch den Abbau nicht erneuerbarer Naturgüter wie zum Beispiel Rohstoffe und den sich daraus ergebenden Substanzverlust eines Landes.
Ferner entstehen Umweltkosten durch die Wiederherstellung von erneuerbaren Naturgütern wie zum Beispiel die Entgiftung und Renaturierung von Böden, Gewässern, Landschaften und Ökosystemen.
Außerdem können Umweltkosten durch eine menschlich verursachte Schadstoffbelastung der natürlichen Umwelt entstehen, bei der andere Menschen materiell und immateriell geschädigt werden.
Zu diesen sog. externen Kosten zählen zum Beispiel die Behandlung von schadstoffbedingten Krankheiten, der Verlust von Lebensqualität oder Gebäudeschäden infolge aggressiver Abgase.
Im Unterschied zu knappen wirtschaftlichen Gütern sind alle freien Güter in beliebiger Menge verfügbar.[1]
Beispiele für freie Güter sind Luft, Sonne, Wasser und Wind. Sie werden von der Natur bereitgestellt und stehen im Überfluss zur Verfügung an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Neben diesen Merkmalen zeichnen sich freie Güter durch zwei weitere Eigenschaften aus:
1. Schwerer Nutzungsausschluss
Unverantwortliche Benutzer von freien Gütern können von der Nutzung schwer ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss ist besonders bei freien Naturgütern wie Boden, Luft und Wasser nahezu unmöglich:
Saurer Regen fällt bekanntlich auch auf abgegrenzte Gebiete. Oder die Verschmutzung fließender Gewässer und von Luft kann ebenfalls nicht durch Landesgrenzen kontrolliert werden.
Nur bei wirtschaftlich genutzten Naturgütern wie privaten Grundstücken, Landflächen, Gewässern und Wäldern können Benutzer von der Nutzung durch die jeweiligen Eigentümer ausgeschlossen werden.
Allerdings können auch bei den genannten privaten Naturgütern die Schadstoffbelastungen durch Luft, Regen, Grundwasser, Lärm, Radioaktivität oder Wind nicht ausgeschlossen werden.
2. Nichtrivalität im Konsum
Alle, die freie Güter nutzen möchten, können sie in gleicher Menge kostenlos konsumieren, ohne dass der Konsum anderer dadurch eingeschränkt wird – es gilt die sog. Nichtrivalität im Konsum.[2]
Allerdings gibt es Situationen, in denen normalerweise freie Güter nicht in beliebiger Menge zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel Wasser in der Wüste oder Luft in geschlossenen Räumen und im Weltraum.
In diesen Grenzsituationen können freie Güter knapp werden und die Nichtrivalität im Konsum gilt nicht.
Aufgrund der Nicht-Ausschließbarkeit von der Nutzung freier Naturgüter entstehen größtenteils keine Nachteile für diejenigen, die diese Naturgüter nicht nachhaltig nutzen.
Wenn es Konsumenten und Unternehmen kostenfrei erlaubt ist, Boden, Luft und Gewässer zu verschmutzen, bestehen keine (oder kaum) Anreize dazu, freiwillig zu deren Verbesserung beizutragen.
Ein Qualitätsabfall freier Naturgüter ist somit vorprogrammiert. Weil die verursachten Umweltkosten nicht in die Kalkulation von Unternehmen eingehen, werden sie auch nicht auf Märkten abgegolten.
Es kommt zu Preisverzerrungen: Produkte, deren Herstellung, Transport, Nutzung oder Entsorgung belastend für die Natur sind, kosten zu wenig.
Allerdings müsste bei einem begrenzten Angebot an Naturgütern normalerweise eine Erhöhung der Nachfrage nach diesen knappen Naturgütern zu deren Preisanstieg führen.
Ein Mangel an ökologischen Rahmenbedingungen in Wirtschaftssystemen setzt den Anreiz zu einer maximalen Nutzung freier Naturgüter, um das Unternehmensergebnis zu verbessern.
Dagegen sind freiwillige Tierschutz-Maßnahmen oder naturfreundliche Produktionsverfahren von Unternehmen tendenziell mit Kosten verbunden und schmälern den unternehmerischen Gewinn.
Gleichzeitig wird der Nutzengewinn durch den Konsum von Naturgütern verschwiegen, um sich nicht an den Kosten für deren Bereitstellung und Erhalt beteiligen zu müssen.
Freiwillig für Naturgüter und den daraus resultierenden Nutzen zu bezahlen oder sich freiwillig an den entstandenen Umweltkosten zu beteiligen, wäre betriebswirtschaftlich betrachtet unwirtschaftlich.
Denn dadurch würden Unternehmen ihre eigenen Produkte im Vergleich zu den Mitwerbern nur verteuern und ggf. auf Wettbewerbsvorteile verzichten.
Ein solches Trittbrettfahrer-Verhalten mag einzelwirtschaftlich rational erscheinen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet liegt jedoch ein Rationalitätsversagen vor, muss doch die Allgemeinheit für die Beseitigung von Naturschäden, falls möglich, und externe Kosten (vgl. zuvor) aufkommen.
Solange mehrheitlich naturfreundliches Verhalten im Unterschied zu naturschädlichem Verhalten mit Kosten verbunden ist, werden auch weiterhin gesellschaftlicher und privater Nutzen des Konsums von Naturgütern auseinanderfallen.
Soll das Marktsystem für mehr Naturschutz und Umweltschutz sorgen, dann sind entsprechende ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft von grundlegender Bedeutung.
So können Umweltkosten stärker Berücksichtigung finden und den Verursachern zugerechnet werden.
Damit mehr Konsumenten und Unternehmen ihr Verhalten naturfreundlicher ausrichten, muss sich – zumindest marktwirtschaftlich betrachtet – Naturfreundlichkeit lohnen.
Doch obwohl sich längst gezeigt hat, dass im Bereich Naturschutz und Umweltschutz Marktversagen vorliegt, wird in vielen Fällen die Übernutzung von Naturgütern sogar durch den Staat gefördert.
Denn Subventionen, die Naturschäden und Umweltschäden begünstigen, sind nicht auf Marktversagen, sondern auf politische Versäumnisse zurückzuführen:
In vielen Industrienationen sind die Preise für Energie, Transport,
Wasser und landwirtschaftliche Produkte zu gering, wodurch naturschädliche
Produktionsmethoden und Transporte gefördert werden.[3]
Diese Subventionen haben sich nach und nach aus einer Vielzahl politischer und sozialer Gründe etabliert, ohne dass ihre Auswirkungen aufeinander abgestimmt wurden.[3]
Es wäre deshalb wünschenswert, wenn die finanziellen Mittel, die heute noch der Subvention von Naturverschmutzung dienen, so schnell wie möglich gestrichen oder umgeleitet würden, zum Beispiel in die Förderung einer Nachhaltigen Entwicklung.
Sollen Produkte, welche die Natur stark belasten, teurer sein als solche, die naturfreundlich hergestellt, transportiert und entsorgt werden können, dann muss der Faktor „Natur“ teurer werden.
Allerdings gibt es Grenzen für die Wirksamkeit ökologischer Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die nachfolgend beleuchtet werden.
Die Wirksamkeit einer ökologisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik des Staates kann bestimmten Grenzen unterliegen, die am Beispiel des Transportaufwandes, der mit einem Güterangebot verbunden ist, dargestellt werden sollen:
In vielen Güterpreisen sind die Belastungen der Natur nicht mit eingerechnet, die durch den Transport der Güter durch Lkws, Schiffe oder Flugzeuge entstehen.
Könnten sonst zum Beispiel in Europa im Vergleich zu einheimischen Produkten relativ günstig
Blumen aus Kolumbien gekauft werden, die eine Flugstrecke von gut 9.000 km hinter sich haben?
Äpfel aus Neuseeland gekauft werden, die eine Flugstrecke von gut 18.000 km hinter sich haben?
Damit ökologische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft die Konsumentscheidungen zugunsten naturfreundlicher Produkte
beeinflussen können, ist der folgende Zusammenhang zu beachten:
Bekanntermaßen gibt es Konsumenten, die einen hohen Preis mit hoher Qualität gleichsetzen. Sie bewerten ein Produkt höher und halten es für begehrenswerter, wenn es teurer ist.
Bei so einem Preis-Qualitäts-Effekt wäre der Absatz von Produkten, welche die Natur mehr verschmutzen und zerstören als andere Produkte, nicht vollständig über den Preismechanismus beeinflussbar.
Denn Konsumenten, die in der Lage sind, einen höheren Produktpreis zu bezahlen, könnten ggf. falsche Rückschlüsse ziehen, wenn sie nicht alle Hintergründe der Preisfestsetzung kennen.
Die Einführung von ökologischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft muss also von einer Informationskampagne und ggf. von detaillierten ökologischen Produktinformationen begleitet werden.
Für Obst- und Gemüsetransporte um die halbe Welt könnte letzteres konkret bedeuten, dass im Verkauf von Obst und Gemüse die zurückgelegte Transportstrecke in km ausgewiesen wird.
Eine vollständige Verhinderung des Angebots und damit des Konsums von Produkten, die über sehr weite Strecken transportiert wurden, ließe sich vermutlich nur über Importverbote bewirken.
Das widerspräche allerdings dem Prinzip eines freien Welthandels und wäre besonders bei Produkten nicht sinnvoll, die (noch) nicht durch andere, naturfreundliche Produkte ersetzbar sind.
Nachteilig würde sich ein allgemeines Importverbot auch für Entwicklungsländer auswirken, die auf Exporterlöse angewiesen sind, um gegen Armut, Hunger und Verschuldung in ihren Ländern vorzugehen.
Das wiederum ist Voraussetzung dafür, dass sie sich im nächsten Schritt um die kostspielige Lösung ihrer Umweltprobleme kümmern können (vgl. Rolle der Entwicklungsländer in der Umweltkrise).
Eine ökologische Wirtschaftspolitik zur Verringerung von Transportwegen stößt an Grenzen bei Produkten, die aus verschiedenen Vorprodukten produziert werden, die jeweils unterschiedlich lange Transportwege zum Produktionsort zurückgelegt haben.
Für derart zusammengesetzte Produkte müsste ein Bewertungsmaßstab für den Transportaufwand des Endproduktes entwickelt werden, dessen bürokratischer Aufwand für die Produzenten und den Staat als kontrollierende Instanz in einem sinnvollen Rahmen bleibt.
Eine mögliche Definition des Begriffes „Internalisierung von externen Effekten“ in der Wirtschaftswissenschaft ist die Einbeziehung (Internalisierung) von externen Kosten (Effekten) in interne Kostenrechnungen und damit des Wirtschaftsgeschehens.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der sog. Internalisierung negativer externer Effekte, also der Zurechnung externer negativer Effekte und Zusatzkosten auf die Verursacher.
Eine ökonomische Definition externer Effekte, unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ sind, lautet:
Externe Effekte sind die Wirkungen, die von der Wirtschaftstätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern (Konsumenten, Produzenten) auf die Produktionsmöglichkeiten und Konsummöglichkeiten anderer Wirtschaftsteilnehmer ausgehen, ohne dass der Preismechanismus des Marktes diese Wirkungen berücksichtigt.[4]
Bei positiven externen Effekten wie zum Beispiel Vorteilen in Form von externen Nutzen und externen Ersparnissen erhalten die Verursacher der Vorteile keinen Ausgleich von den Begünstigten.[4]
Bei negativen externen Effekten wie zum Beispiel Nachteilen in Form von externen Kosten müssen die Verursacher an die Benachteiligten keine Entschädigung leisten.[4]
Solange freie Naturgüter kostenlos verschmutzt und zerstört werden können, kann der Markt keine
Knappheiten signalisieren, die zu einem verantwortungsvollen Umgang führen.
„Der bürokratische Sozialismus ist zusammengebrochen, weil er keine Preise zuließ, welche die wirtschaftliche Wahrheit spiegeln. Die Marktwirtschaft kann die Natur und letzten Endes sich selbst zugrunde richten, wenn sie nicht zulässt, dass die Preise der ökologischen Wahrheit entsprechen.“
(Ernst Ullrich von Weizsäcker)[5]
Das Problem der Naturzerstörung liegt darin, dass angerichtete
Schäden wie Abgase, Lärm, Strahlung oder Verschmutzung nicht bei den Verursachern als Kosten verrechnet werden, sondern
von der Allgemeinheit getragen werden müssen.
So werden Unternehmensgewinne über Dividendenzahlungen an Aktionäre privatisiert, während Naturschäden, mit denen Gewinne erwirtschaftet wurden, dem Gemeinwesen aufgebürdet werden.
Weil die Wirkungszusammenhänge in der Natur oft komplex und die Verursacher von Naturschäden nicht genau bestimmbar sind, können sich Probleme bei der Zuordnung von Umweltkosten ergeben.
Die folgenden Beispiele sollen die Zuordnungsprobleme verdeutlichen:
Wer ersetzt Hauseigentümern in verkehrsreichen Innenstädten Gebäudeschäden, die auf Abgase des Straßenverkehrs zurückzuführen sind? Die einzelnen Autofahrer oder Lkw-Betreiber?
Wer kommt für den Lärmschutz an Autobahnen auf und wer vergütet den Verlust an Lebensqualität der jeweiligen Anwohner? Die jeweiligen Verkehrsteilnehmer?
Wer trägt die Kosten der Behandlung von Krankheiten infolge von industriell in den Verkehr gebrachten Giften? Die jeweiligen Unternehmen?
Wer ersetzt die Schäden an Denkmälern und historischen Gebäuden, die von aggressiven Einflüssen wie saurem Regen oder Luftverschmutzung herrühren? Die jeweiligen Verursacher?
Wer übernimmt die Kosten für die Reinigung von Gewässern? Unternehmen, die ihre Abwässer einleiten oder in diesen Gewässern eine die Natur schädigende Schifffahrt betreiben?
Wer trägt die Kosten für Renaturierung oder Schutz stark bedrohter globaler Ökosysteme wie die tropischen Regenwälder oder Weltmeere? Die Länder, welche sie nicht nachhaltig nutzen?
Auch wenn in dieser Aufzählung nicht alle Fragen vollkommen verneint werden können, weil ein Teil der
angesprochenen Schäden bereits mit Steuern und Abgaben ausgeglichen wird, so entspricht deren Aufkommen nur einem Bruchteil der
tatsächlichen Umweltkosten.
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Literaturangaben und Anmerkungen:
[1] Humboldt-Wirtschafts-Lexikon (1992), Humboldt-Verlag, München, S.171.
[2] Bernholz, Peter/Breyer, Friedrich (1993): Grundlagen der politischen Ökonomie, Band 1 Theorie der Wirtschaftssysteme, 3. vollständig überarbeitete Auflage, Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, S.95.
[3] Schmidheiny, Stephan, mit dem Business Council for Sustainable Development (1992): Kurswechsel – Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt, Verlag Artemis und Winkler, München, S.47.
[4] Humboldt-Wirtschafts-Lexikon (1992), Humboldt-Verlag, München, S.130.
Anmerkung: Positive externe Effekte bewirken auch Unternehmen, die über die staatlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaft hinausgehend den Verbraucherschutz oder Umweltschutz besonders berücksichtigen. Sie erhalten keinen vollständigen Ausgleich ihrer zusätzlichen Kosten durch das Preissystem der Märkte, indem sie zum Beispiel
Vermarktungsprobleme von umweltfreundlicher hergestellten Produkten in Kauf nehmen oder
ein besonders nachhaltiges Umweltmanagement durchführen (vgl. Unternehmerverband future und Steilmann-Gruppe).
Ähnlich verhält es sich bei Konsumenten, die freiwillig nachhaltig, ökologisch und naturfreundlich einkaufen. Allgemein gilt:
Konsumenten und Unternehmen erhalten keinen Ausgleich für positive externe Effekte, die sie durch eine physiozentrische Umweltethik bewirken jenseits der Anthropozentrik, weil sie sich pathozentrisch, biozentrisch oder holistisch (ökozentrisch) verhalten.
[5] v. Weizsäcker, Ernst Ulrich, in: Schmidheiny, Stephan, mit dem Business Council for Sustainable Development (1992): Kurswechsel – Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt, Verlag Artemis und Winkler, München, S.43.
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