Was bedeutet Umweltethik? Welche vier Ansätze, Modelle und Themen gibt es? Welche Kritik äußern philosophische Vertreter und welche Probleme ergeben sich bei der Abgrenzung der umweltethischen Positionen?
INHALT
Was versteht man unter Umweltethik (englisch: environmental ethics, environmental philosophy)?
Als Wissenschaft beschäftigt sich die Umweltethik allgemein mit der Frage, welche Lebewesen eigene Rechte haben sollten und ob auch der unbelebten Natur Rechte zugesprochen werden sollten.
Den Wortbestandteilen nach setzt sich Umweltethik aus den Worten Umwelt (also dem natürlichen Lebensraum auf der Erde mit Boden, Luft, Wasser, Artenvielfalt, Biotopen etc.) und Ethik zusammen.
Was versteht man unter Ethik? Einfach ausgedrückt, die Wissenschaft vom guten und gerechten Handeln.
Ausführlicher ausgedrückt beschäftigt sich Ethik als Teildisziplin der Philosophie mit richtigem oder falschem bzw. gutem oder schlechtem Handeln der Menschen (vgl. Definition von » Ethik).
Die Umweltethik als Teildisziplin der Ethik untersucht das richtige menschliche Verhalten gegenüber der belebten und unbelebten Natur aus der Sicht der » Ökologie und des Tierwohls.
Zur belebten Natur kann man Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien und eukaryotische Einzeller zählen.[1] Zur unbelebten Natur kann man Kristalle, Luft, Metalle, Mineralien, Sand, Steine und Wasser zählen.
Als einfache Einführung kann die Umweltethik in folgende vier Grundpositionen unterteilt werden:
Anthropozentrische Umweltethik: Nur Menschen haben Rechte
Pathozentrische Umweltethik: Alle leidensfähigen Lebewesen haben Rechte (Menschen, Tiere)
Biozentrische Umweltethik: Alle Lebewesen haben Rechte (z. B. Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze)
Holistische (Ökozentrische) Umweltethik: Die belebte und unbelebte Natur haben Rechte
Dieses Gliederungsschema der Umweltethik ist hierarchisch aufgebaut. Das bedeutet, die nächsthöhere Stufe beinhaltet idealerweise auch die vorausgegangene(n) Stufe(n) der Grundpositionen.
Die vier umweltethischen Ansätze können auch mit den Begriffen Anthropozentrismus, Pathozentrismus, Biozentrismus und Ökozentrismus (Holismus) bezeichnet werden.
Das folgende Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang der vier umweltethischen Positionen:
Bild: Umweltethik – Was ist das genau? Spektrum und Bereiche
der Positionen der Anthropozentrik, Pathozentrik, Biozentrik, Ökozentrik *
Jenseits der anthropozentrischen Umweltethik findet eine
Durchbrechung der Sonderstellung der Menschen statt, wodurch sie nicht
länger alleinige Träger von Rechten sind.
Als Gegenbegriff zur anthropozentrischen Umweltethik können die pathozentrische, biozentrische und holistische (ökozentrische) Umweltethik als physiozentrische Umweltethik zusammengefasst werden.
In der holistischen (ökozentrischen) Umweltethik haben neben allen Lebewesen auch Landschaften und die unbelebte, natürlich vorkommende Materie in der Natur eigenständige Rechte.
Das bedeutet, dass die Natur in der holistischen (ökozentrischen) Umweltethik nicht deshalb schützenswert ist, weil sie für die Menschen oder andere Lebewesen eine Bedeutung hat, sondern weil sie einen Eigenwert hat.
Dagegen ist in der anthropozentrischen Umweltethik die Nutzung von Pflanzen, Tieren oder der Natur gerechtfertigt, wenn sie der Befriedigung menschlicher Interessen dient.
Beeinträchtigen die Interessen von Menschen die Interessen nichtmenschlicher Lebewesen der Natur oder sind die Interessen der Menschen für sie nicht überlebenswichtig, dann werden sie in den drei physiozentrischen Umweltethiken zunehmend als nicht zu rechtfertigende Luxusinteressen verstanden.
Eine detaillierte Definition der anthropozentrischen, pathozentrischen, biozentrischen und holistischen Umweltethik mit einer Kritik und den typischen Problemen, die sich bei der praktischen Anwendung ergeben können, stellen die folgenden Unterseiten bereit:
Vorgestellt werden die Positionen prominenter Vertreter der Umweltethik, zu denen zum Beispiel die Philosophen Immanuel Kant, Jeremy Bentham, Albert Schweitzer, Tom Regan und Peter Singer zählen.
Ferner zeigen Fallbeispiele, welche Probleme sich ergeben können bei dem Versuch, die verschiedenen Umweltethik-Modelle voneinander abzugrenzen.
Ziel der Masterarbeit ist es insbesondere zu untersuchen, ob und in welchem Umfang die vier umweltethischen Ansätze in der heutigen Zeit praktische Anwendung finden.
Die folgende Diskussion beleuchtet umweltethische Probleme, mit denen alle drei physiozentrische Positionen (also alle Umweltethiken jenseits des Anthropozentrismus) gleichermaßen behaftet sind.
Dabei handelt es sich um das Problem, dass von der pathozentrischen über die biozentrische bis hin zur holistischen (ökozentrischen) Umweltethik immer mehr Interessen zu berücksichtigen sind.
Während im Pathozentrismus zusätzlich zu den menschlichen Interessen auch die Interessen aller leidensfähigen Lebewesen, also auch von leidensfähigen Tieren, eine Rolle spielen, sind im Biozentrismus die Interessen aller Lebewesen, also auch von Kleinstlebewesen wie Insekten oder Bakterien, zu berücksichtigen.
Im Holismus (Ökozentrismus) sind schließlich neben den Interessen der gesamten belebten Natur auch die Interessen der unbelebten Natur zu berücksichtigen, also auch von Landschaften oder unbelebter Materie.
Ferner ergibt sich das Problem von fehlender Neutralität in Entscheidungssituationen, in denen die Interessen von Menschen, Tieren, Pflanzen oder der Natur gegeneinander abgewogen werden sollen.
Denn nur Menschen besitzen aufgrund ihres Denkvermögens die Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen. Mangels einer höchsten, unparteiischen Instanz auf der Erde ist davon auszugehen, dass diese Entscheidungen immer zugunsten menschlicher Interessen ausfallen und damit anthropozentrisch geprägt sind.
Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Durchsetzung von Rechten aller nicht menschlichen Rechteinhaber.
Denn Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur können ihre Interessen nicht selbst durchsetzen und sind immer auf einen menschlichen Vertreter angewiesen, der ihren Interessen eine Stimme verleiht.
Eine ähnliche Problematik ergibt sich bei der Wahrnehmung von Pflichten. Sobald Tieren, Pflanzen und der unbelebten Natur Rechte zugesprochen werden, müssen diese, dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz folgend, ebenso Pflichten gegenüber anderen Rechteinhabern wahrnehmen.
Das setzt allerdings voraus, dass Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur nicht nur direkte und indirekte Folgen ihres Handelns auf die Rechte anderer erkennen können, sondern auch ihr eigenes Handeln ethisch beurteilen können. Über diese Fähigkeiten verfügen offenkundig weder Pflanzen, Tiere noch die unbelebte Natur.
Zu guter Letzt ergibt sich das Problem, wenn Tiere oder Pflanzen die Rechte anderer missachten, ob und wie sie durch Pflanzengerichte und Tiergerichte mittels gerechter Urteile zu bestrafen wären.
Nachfolgend mögliche Schlussfolgerungen, die sich aus den genannten Problemen ergeben können:
» Zur Diskussion der umweltethischen Ansätze des Physiozentrismus
Im Verlauf dieser Diskussion wird sich anhand von Beispielen aus der Praxis zeigen, dass es umweltethisch nicht immer zweifelsfrei möglich ist, bestimmte Themen und Handlungen eindeutig dem Anthropozentrismus, Pathozentrismus, Biozentrismus oder Holismus (Ökozentrismus) zuzuordnen.
Beispiele und Themen einer angewandten Umweltethik finden sich vielfach in Unternehmen im Bereich der Unternehmensethik und bei Konsumenten im Bereich der Konsumentenethik.
So können Entscheidungsträger im Umwelt- und Qualitätsmanagement von Unternehmen zum Beispiel vor folgenden Fragen stehen:
Sind Unternehmen nur Menschen gegenüber verpflichtet oder auch gegenüber Tieren, Pflanzen, Landschaften oder Ökosystemen?
Wie weit reicht die Verantwortung eines Unternehmens für die natürliche Umwelt? Sollten der Natur eigene Rechte zugestanden werden oder dürfen unter ethischen Gesichtspunkten pflanzliche und tierische Artenvielfalt kurzfristigen ökonomischen Vorteilen geopfert werden?
Sollten Unternehmen nur die geltenden gesetzlichen Vorschriften erfüllen oder sich darüber hinausgehend für den Umweltschutz und Tierschutz engagieren? [2]
Weitere Themen einer angewandten Umweltethik betreffen Konsumentscheidungen von Konsumenten und damit das Spektrum der Konsumentenethik.
Wie Konsumenten das ihnen zur Verfügung stehende Geld verwenden, ist von Bedeutung dafür,
ob Unternehmen Produkte umweltfreundlich entwickeln, produzieren und transportieren oder
welche Produkte sich von Unternehmen am Markt absetzen lassen und angeboten werden.
Bevorzugen Konsumenten in einer Marktwirtschaft umweltfreundliche Produkte, werden diese auch
hergestellt und das Angebot umweltunfreundlicher Produkte verringert
sich.
Demzufolge können nicht nur Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, indem sie sich freiwillig über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehend umweltfreundlich und tierfreundlich verhalten.
Auch Konsumenten können zu einer Bewahrung der Natur und zu mehr Tierwohl beitragen. Sei es dadurch, wie oft, wie lange oder auf welche Art und Weise sie bestimmte Produkte konsumieren und entsorgen.
Oder welche Entscheidungen sie beim Einkauf an der Ladenkasse oder in Online-Bezahlsystemen treffen.[3]
Einfach ausgedrückt, befinden sich alle Produkte im Sortiment von Supermärkten, Ladengeschäften oder Online-Shops nur deshalb dort, weil es ausreichend viele Konsumenten gibt, die sie auch kaufen.
Alle Produkte, die niemand mehr kauft, würden nach kürzester Zeit aus dem Sortiment genommen werden.
Die heutige Bedeutung der Umweltethik ergibt sich aus der Industrialisierung und Liberalisierung der Wirtschaft.
Diese bewirkten in den westlichen Ländern auf der Erde ab dem 18. Jh. die Freisetzung von technischem Wissen und wirtschaftlicher Macht nie gekannten Ausmaßes in der Geschichte der Menschheit.
Dadurch änderte sich das Ausmaß der Natur- und Umweltzerstörung gravierend, das die Menschheit aufgrund ihrer technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten langfristig bewirken konnte.
Ferner etablierten sich ab dem 19. Jh. mit Vertretern wie Georg Meissner und Robert Koch Tierversuche in industriellem Ausmaß und ab Mitte des 20. Jh. Massentierhaltung und Tiertransporte in industriellem Ausmaß.
Aufgrund der dadurch entstandenen Umweltkrise und Tierwohlkrise gewinnen umweltethische Themen an Bedeutung in der Frage, wie den Eingriffen von Menschen in die Natur ethische Grenzen gesetzt werden können.
Warum ist Umweltethik wichtig? Wie im Kapitel Ökologie und Ökonomie gezeigt wird, kann die Umweltethik bei der Lösung der Umweltkrise (und Tierwohlkrise) zur Erreichung folgender Ziele beitragen:
So kann die Umweltethik eine Orientierungshilfe bieten bei der Gewichtung menschlicher Bedürfnisse, um wirtschaftliche Rahmenbedingungen unter ökologischen und tierrelevanten Gesichtspunkten festlegen zu können.
Damit können umweltethische Ansätze an der Schnittstelle zwischen Ökologie und Ökonomie als Korrektur des Marktversagens im Bereich des Naturschutzes, Umweltschutzes und Tierschutzes verstanden werden.
Im Ergebnis kann die Umweltethik den zerstörerischen Wirkungen eines nicht eingeschränkten ökonomischen Prinzips entgegenwirken und der Ökonomie eine naturfreundliche und tierfreundliche Ausrichtung geben.
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Anmerkungen:
[1] In der belebten Natur können sich Ökosysteme bilden, die aus einer Biozönose und einem Biotop bestehen:
Als Biozönose werden Lebensgemeinschaften aus Tieren, Pflanzen, Pilzen, Algen und Mikroorganismen bezeichnet.
Als Biotop wird ein abgegrenzter Lebensraum bezeichnet, in dem Lebensgemeinschaften leben. Biotope umfassen zum Beispiel Gebirge, Gewässer, Grasland, Moore, Steppen, Wälder oder Wüsten.
[2] Vgl. dazu die Unternehmensinitiative Future, die Unternehmen bei der Umsetzung einer ökologisch ausgerichteten Unternehmensethik unterstützt. Oder die Steilmann-Gruppe als Fallbeispiel der praktischen Umsetzung einer ökologischen Unternehmensethik. Ebenso im Bereich des Tierschutzes die Adressen von Tierschutzverbänden und Tierschutzorganisationen.
Für eine Überprüfung, wie gefestigt die Umweltethik von Unternehmen ist, kann der Praxisleitfaden Umweltschutz beitragen.
Eine umweltethische Selbstverpflichtung von Unternehmen kann sowohl Vorteile für das Umweltmanagement als auch Nachteile in Form von Vermarktungsproblemen besonders umweltfreundlicher Produkte mit sich bringen.
[3] Vgl. Adressen im Bereich des Nachhaltigen Einkaufens oder Verbraucherschutzes als Grundlage für Konsumentscheidungen.
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