Was bedeutet Physiozentrismus einfach erklärt? Welche Probleme der praktischen Umsetzung zeigen sich in einer ethischen Diskussion umweltethischer Positionen jenseits des Anthropozentrismus?
INHALT
Was ist Physiozentrismus? Die physiozentrische Umweltethik (von griechisch physis = Natur) vertritt die Ansicht, dass nichtmenschlichen Bestandteilen der Natur eigenständige Rechte zukommen sollten.
Sie kann als begriffliche Zusammenfassung aller umweltethischen Positionen verstanden werden, die die Sonderstellung der Menschen in der Natur als alleinige Träger von Rechten aufheben.
Der Physiozentrismus durchbricht die Sonderstellung der Menschen im Anthropozentrismus und umfasst die umweltethischen Ansätze des Pathozentrismus, Biozentrismus und Ökozentrismus (Holismus).
Während die anthropozentrische Umweltethik allem Nichtmenschlichen in der Natur keine Eigenrechte zugesteht, erweitern die Ansätze des Physiozentrismus diese Rechte stufenweise:
So werden in der Pathozentrik allen leidensfähigen Lebewesen, in der Biozentrik allen Lebewesen und in der ganzheitlichen Ökozentrik (Holistik) auch der unbelebten Natur Eigenrechte zugestanden.
Als Ethikmodelle, die Nichtmenschlichem Rechte einräumen, können die pathozentrische, biozentrische und holistische Umweltethik somit mit dem Begriff Physiozentrismus oder Physiozentrik zusammengefasst werden.
Die praktische Anwendung umweltethischer Positionen jenseits der anthropozentrischen Umweltethik kann zu Problemen der Güterabwägung führen.[1]
Im Zusammenhang mit dem Pathozentrismus, Biozentrismus und Ökozentrismus (Holismus) sind unter dem Begriff „Güter“ Rechte und Interessen von Lebewesen und unbelebter Natur zu verstehen.
Zu diesen Gütern zählen beispielsweise Lebensräume, Bewegungsfreiheit, körperliche Unversehrtheit, Unberührtheit, Natürlichkeit, Urwüchsigkeit oder den Erhalt der eigenen Existenz.
Erst die praktische Anwendung einer pathozentrischen, biozentrischen oder holistischen Umweltethik konfrontiert die Menschheit mit der Frage, ob ihr Handeln oder ihr Nichthandeln die Güter von Tieren, Pflanzen oder unbelebter Natur beeinträchtigt.
Wenn nicht alle Güter gleichzeitig berücksichtigt (verwirklicht) werden können, müssen Menschen unweigerlich eine Güterabwägung vornehmen, um eine ethisch richtige Entscheidung treffen zu können.
Dabei wird der Wert verschiedener Güter, Rechte oder Interessen von Menschen, Tieren, Pflanzen und unbelebter Natur ermittelt und miteinander verglichen.
Eine Abwägung erfolgt zugunsten der höherwertigen Güter, wobei zu beachten ist, dass die niederwertigeren Güter mit dem kleinsten Übel belastet werden und die Belastung unverzichtbar ist.
Im Folgenden werden fünf Probleme der Güterabwägung
analysiert, die sich bei der praktischen Umsetzung von Positionen einer physiozentrischen
Umweltethik ergeben:
Die Anzahl der zu berücksichtigenden Interessen
Die fehlende Neutralität
Die Durchsetzung von Rechten
Die Wahrnehmung von Pflichten
Die Bestrafung von Pflanzen durch Pflanzengerichte und von Tieren durch Tiergerichte
Bei den drei aufeinander aufbauenden, physiozentrischen Ansätzen sind in konkreten Entscheidungssituationen zunehmend konkurrierende Interessen zu berücksichtigen.
Ausgehend von der Annahme, dass Pflanzen keine leidensfähigen Lebewesen sind, gilt es bei der pathozentrischen Umweltethik, die Interessen von Menschen und leidensfähigen Tieren gegeneinander abzuwägen.
Beim Ansatz einer biozentrischen Umweltethik sind die Interessen aller Lebewesen zu berücksichtigen.
Klammert man aus Gründen der Vereinfachung Lebewesen wie Algen, Flechten, Pilze und Kleinstlebewesen wie Archaeen und Bakterien aus, dann gilt es bei der biozentrischen Umweltethik, die Interessen von Menschen, Tieren und Pflanzen gegeneinander abzuwägen.
Eine Güterabwägung im Biozentrismus betrifft also die Rechte von:
Menschen und Tieren
Menschen und Pflanzen
Tieren und Pflanzen
Dieser Vereinfachung folgend, gilt es bei der holistischen (ökozentrischen) Umweltethik, die Interessen
von Menschen, Tieren, Pflanzen und unbelebter Natur gegeneinander abzuwägen.
Eine Güterabwägung im Holismus (Ökozentrismus) betrifft somit die Rechte von:
Menschen und Tieren
Menschen und Pflanzen
Menschen und der unbelebten Natur
Tieren und Pflanzen
Tieren und der unbelebten Natur
Pflanzen und der unbelebten Natur
Von der anthropozentrischen, über die pathozentrische und biozentrische bis hin zur holistischen Umweltethik muss eine stetig zunehmende Anzahl von Interessen berücksichtigt werden.
Bei der Güterabwägung in Situationen, in denen die Interessen von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Natur zu berücksichtigen sind, stellt sich die Frage nach der Neutralität.
Lässt sich ein Entscheidungskonflikt darüber, wessen Interessen letztlich die wichtigeren sind, lösen, ohne an der Sonderstellung der Menschen festzuhalten?
In der pathozentrischen Umweltethik können nur Menschen festlegen, welche Tiere als leidensfähig gelten und welchen Tieren folglich eigenständige Rechte eingeräumt werden.
Dabei ist davon auszugehen, dass Menschen keine neutrale Festlegung vornehmen, da sie bekanntermaßen dazu neigen, den Wert von Tieren aufgrund individueller Vorlieben zu bestimmen.
Dies zeigt die Ungleichbehandlung von sog. „Haustieren“ und „Nutztieren“ in vielen westlichen Ländern.
Ebenso können in der biozentrischen Umweltethik nur Menschen festlegen, welche Organismen als schützenswerte Lebewesen gelten und welchen Lebewesen eigenständige Rechte eingeräumt werden sollen.
Auch hier ist davon auszugehen, dass Menschen keine neutrale Festlegung vornehmen, da sie bekanntermaßen den Wert von Pflanzen aufgrund individueller Vorlieben bestimmen.
Sei es, dass sie willkürlich Pflanzen als „Unkraut“ definieren oder sei es, dass sie Pflanzen unter dem Gesichtspunkt bewerten, ob sie als Arzneipflanzen, Nutzpflanzen oder Zierpflanzen einen Wert haben.
Und wer sonst außer Menschen kann in der holistischen Umweltethik beispielsweise die Schönheit der Natur bewerten, um zu bestimmen, was in ihrer Ursprünglichkeit erhalten bleiben sollte?
Selbst wenn es einen objektiven Maßstab für Schönheit gäbe, wäre die Festlegung, was in der Natur schön ist und was nicht, letztendlich immer nur das Ergebnis der subjektiven Wahrnehmung der Menschen.
Dieses Manko an Neutralität lässt sich auch nicht beheben, indem über die Schönheit in der Natur abgestimmt würde. Denn an dieser Abstimmung könnte die Natur selbst nicht teilnehmen. Sie ist davon abhängig, dass ihr Menschen eine Stimme verleihen.
In diesem Zusammenhang stellen sich beispielsweise die folgenden beiden Fragen:
Ist mit Naturschönheit die „Schönheit der Wildnis“ gemeint, die der Mensch sehr oft als hässlich und unkultiviert empfindet?
Oder ist mit Naturschönheit eine Parkanlage oder ein „gepflegter Garten“ gemeint, die das Ergebnis künstlerischer Gartengestaltung sind?
Wenn allerdings die Natur nur dann „schön“ ist, wenn Menschen sie als schön empfinden, dann würde die Natur zur bloßen Sache degradiert und ein Mittel zum Zweck für menschliche Interessen.
Weiter ist zu klären, ob die Definition von Naturschönheit überhaupt davon abhängig sein sollte, was die Mehrheit der Menschen als schön empfindet.
Wäre dies der Fall, bliebe die Frage, welche Mehrheiten sich in einer konkreten Abstimmung ergeben müssten: ob eine einfache Mehrheit, eine Zweidrittelmehrheit oder eine Dreiviertelmehrheit.
Letztlich sind alle Umweltethiken des Physiozentrismus mit dem Problem fehlender Neutralität behaftet. Güterabwägungen sind anthropozentrisch bestimmt, und die Interessen der Menschen überwiegen.
Andernfalls müsste es eine höchste, unparteiische Instanz geben, die jenseits aller menschlichen Bedürfnisse und Interessen Güterabwägungen vornimmt.
Bei allen umweltethischen Ansätzen des Physiozentrismus sind Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur bei der Formulierung und Durchsetzung ihrer Rechte auf einen Vertreter angewiesen.
Die einzige dafür infrage kommende Instanz sind die Menschen, da sie die einzigen Lebewesen mit Denk- und Urteilsvermögen auf der Erde sind.
Unklar ist jedoch, ob in allen Fällen die Bereitschaft bei Menschen bestünde, nichtmenschliche Interessen durchzusetzen, wenn dadurch eigene Interessen oder die eigene Existenz beeinträchtigt wären.
Ebenfalls unklar ist, ob überhaupt allen Tieren und Pflanzen oder allen Bestandteilen der unbelebten Natur ein menschlicher Vertreter zur Seite gestellt werden könnte, um deren Rechte durchzusetzen.
Sollte dies nicht möglich oder gewünscht sein, müsste eine Auswahl besonders wichtiger Tiere, Pflanzen und Natur-Bestandteile getroffen werden, deren Interessen durchgesetzt werden sollen.
Dabei würde sich erneut das Dilemma zeigen, dass bei dieser Auswahl wieder Menschen die entsprechende Instanz wären und die getroffene Auswahl von anthropozentrischen Motiven bestimmt würde.
Wenn bei den drei Ansätzen einer physiozentrischen Umweltethik auch Tiere, Pflanzen oder die unbelebte Natur eigene Rechte haben sollen, müssen sie auch ihrerseits Pflichten gegenüber anderen Rechteinhabern wahrnehmen.
Dies setzt voraus, dass sie nicht nur direkte und indirekte Folgen ihres Handelns auf die Rechte anderer erkennen können, sondern auch ihr eigenes Handeln ethisch beurteilen können.
Diese Fähigkeiten sind offenkundig weder bei Pflanzen und Tieren noch der unbelebten Natur gegeben.
Werden demzufolge gleiche Rechte für Menschen, Tiere, Pflanzen und unbelebte Natur gefordert, so wäre damit automatisch eine Ungleichbehandlung von Menschen verbunden.
Wie ließe sich eine solche Ungleichbehandlung begründen, die nur Menschen ethisch verurteilen würde, wenn sie die Rechte von Tieren, Pflanzen und der unbelebten Natur missachten?
Müssten nicht gleichermaßen Tiere ethisch kritisiert werden, wenn sie die Rechte von Menschen, von anderen Tieren, von Pflanzen und von unbelebter Natur missachten?
Müssten nicht gleichermaßen Pflanzen ethisch kritisiert werden, wenn sie die Rechte von Menschen, von Tieren, von anderen Pflanzen und der unbelebten Natur missachten?
Müsste nicht gleichermaßen die unbelebte Natur ethisch kritisiert werden, wenn sie die Rechte von Menschen, Tieren und Pflanzen missachtet?
Damit ein Rechtssystem einer Gemeinschaft funktionieren kann, müssen alle Rechteinhaber in dieser Gemeinschaft auch die Regeln, also ihre Rechte und Pflichten, verstehen und danach handeln können.
In physiozentrischen Umweltethik-Ansätzen müssten Tiere und Pflanzen ebenso wie Menschen bestraft werden, wenn sie die Rechte anderer Lebewesen missachten.
Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, der besagt, dass alle Inhaber von Rechten vor dem Gesetz gleich behandelt werden müssen. Folglich müsste es Pflanzengerichte und Tiergerichte geben.
Bei einer gerechten Urteilsfindung würden sich jedoch folgende Probleme in der Praxis ergeben:
Wie wären vor einem Tiergericht Fälle von Tieren zu beurteilen, die die Rechte anderer Tiere missachten, beispielsweise durch Verletzungen, Vergiftungen oder das Fressen anderer Tiere?
Wie wären vor einem Tiergericht Fälle von Tieren zu beurteilen, die die Rechte von Menschen missachten, beispielsweise durch Verletzungen, Vergiftungen oder das Fressen von Menschen?
Wie wären vor einem Tiergericht Fälle von Heuschrecken zu beurteilen, die ganze Landstriche kahlfressen und damit die Existenz dortiger Menschen bedrohen oder eine Landschaftsveränderung bewirken?
Wie wären vor einem Pflanzengericht schnell wachsende Bäume zu beurteilen, die langsam wachsenden Bäumen ihrer Existenzgrundlage entziehen, indem sie ihnen Licht und Nährstoffe zur Photosynthese wegnehmen?
Wie wären vor einem Pflanzengericht Pflanzen zu beurteilen, die anderen Pflanzen ihrer Existenzgrundlage entziehen, die wiederum die Lebensgrundlage bestimmter Tiere darstellen?
Wie wären fleischfressende Pflanzen zu beurteilen, die auch auf Tiernahrung verzichten können und dadurch lediglich eine geringere Nährstoffzufuhr und ein langsameres Wachstum in Kauf nehmen müssten?
Bereits diese wenigen Beispiele verdeutlichen die Tragweite der Problematik eines angewandten Physiozentrismus, der die Rechte von Menschen, Pflanzen, Tieren und unbelebter Natur gleichwertig behandelt.
Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur verfügen nicht über die Fähigkeit von Menschen, direkte und indirekte Folgen ihres Handelns auf die Rechte anderer zu erkennen und ihr eigenes Handeln ethisch zu bewerten.
Sie daher für die Missachtung von Rechten anderer zu bestrafen, wäre unmöglich gerecht.
Angesichts der fortschreitenden Umweltzerstörung stellt sich die Frage, ob mit einer anthropozentrischen Umweltethik die Erde langfristig als Lebensgrundlage der Menschen erhalten werden kann.
Dies gilt insbesondere für eine anthropozentrische Umweltethik im engeren Sinne, deren Potential bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
Eine anthropozentrische Umweltethik im weiteren Sinne könnte
maßgeblich zur Bewältigung der Umweltkrise beitragen, wenn sie folgende
Prinzipien berücksichtigt:
Gleichstellung der Interessen von Entwicklungs- und Industrieländern (internationale Gerechtigkeit)
Gleichstellung der Interessen aktuell und künftig lebender Menschen (intergenerative Gerechtigkeit)
Verständnis von Naturschutz als Vorteil für die Menschheit
Bewahrung der Schöpfung als Ausdruck von Verantwortung und Selbstachtung
Aus der Maxime, dass das Ziel der Schöpfung lediglich die
Bedürfnisbefriedigung aktuell lebender Menschen ist, ergeben sich
andere Handlungsanweisungen als aus der Maxime, dass das Ziel der
Schöpfung eine möglichst hohe ethische Entwicklung der Menschen ist.
So dürften ethisch hoch entwickelte Menschen auch bei Anwendung einer anthropozentrischen Umweltethik jede Form von Tierquälerei ablehnen.
Tierschutz wäre für sie eine Frage der Selbstachtung, die sich darin ausdrückt, ihre Überlegenheit gegenüber schwächeren Lebewesen nicht auszunutzen.
Tiere sind im Vergleich zu Menschen schwach, da sie gegen die Waffen und technischen Möglichkeiten der Menschen wehrlos sind. Schon aus diesem Grund sollte man Tiere nicht quälen.
Ebenso könnte die Verantwortung für die Natur als eine ethische Pflicht der Menschen sich selbst gegenüber oder in religiöser Hinsicht auch als eine Pflicht gegenüber Gott betrachtet werden.
Angesichts der Umsetzungsprobleme, mit denen alle Umweltethiken jenseits der anthropozentrischen behaftet sind, scheint es mit einer anthropozentrischen Umweltethik im weiteren Sinne am erfolgversprechendsten möglich zu sein, weitreichende Maßnahmen zum Tierschutz und Naturschutz überzeugend zu begründen.
Ob die Umweltkrise behebbar ist, indem beispielsweise der Natur Eigenrechte eingeräumt werden, ist fraglich.
Lässt sich die Mehrheit der Menschen dazu motivieren, eigenständige Rechte der Natur anzuerkennen, die ihre eigenen Rechte erheblich einschränken und sogar einer Selbstentmündigung gleichkommen können?
Werden die Menschen zudem auf eine Ebene mit Tieren, Pflanzen oder der Natur gestellt, wird es umso schwieriger, eine besondere Verantwortung des Menschen für alles Nichtmenschliche zu begründen.
Denn je weniger den Menschen ein überlegener Rang eingeräumt wird, desto weniger kann man von ihnen fordern, sich gegenüber Nichtartgenossen, wie Tieren und Pflanzen, sittlich zu verhalten.[1]
Eine Ethik, die das Eigeninteresse und den Erhalt der eigenen Lebensgrundlage in den Vordergrund stellt, dürfte größere Zustimmung finden als eine Ethik, die Verzicht in einem so hohen Ausmaß fordert, dass sie kaum lebbar ist oder permanent ein schlechtes Gewissen verursacht.
Die durch die Menschheit verursachte Umweltkrise ist maßgeblich
darauf zurückzuführen, dass in der Vergangenheit folgende Kriterien
nicht ausreichend berücksichtigt wurden:
Rechte aller Menschen – also auch in den armen Ländern der Dritten Welt
Rechte zukünftiger Generationen auf Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren
Bedeutung einer gesunden Natur für die Menschen ohne Giftstoffe und Müllberge
Angesichts der Dringlichkeit, die Umweltkrise zu bewältigen, lässt sich folgendes Fazit ziehen:
Zur Verbesserung des globalen Tierschutzes und Naturschutzes erweist sich eine anthropozentrische Umweltethik im weiteren Sinne als zielführender als eine pathozentrische, biozentrische oder holistische Umweltethik.
Gleiche Handlungen können nach außen hin unterschiedliche Gründe haben und lassen sich nicht immer eindeutig bestimmten umweltethischen Motiven zuordnen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.
Bei einer Protest-Bewegung gegen einen geplanten Autobahnbau können Menschen mit verschiedenen umweltethischen Beweggründen aufeinandertreffen:
Das Anliegen anthropozentrisch motivierter Autobahngegner könnte zum Beispiel die Lärm- und Abgasbelastung von Anwohnern sein.
Soll die neue Autobahn durch ein bisher abgelegenes Waldstück verlaufen, könnte das Anliegen pathozentrisch motivierter Autobahngegner die Wahrung der Rechte von leidensfähigen Tieren des Waldes sein, die durch den Autobahnbau ihre natürliche Lebensgrundlage verlieren.
Das Anliegen biozentrisch motivierter Autobahngegner könnte die Wahrung der Rechte aller Lebewesen sein, die direkt oder indirekt durch den Autobahnbau betroffen sind.
Und das Anliegen holistisch (ökozentrisch) motivierter Autobahngegner könnte die Verhinderung von Eingriffen in das Landschaftsbild und das Öko-System sein, die der Autobahnbau mit sich bringt.
Foto: Autobahn-Zubringer *
Die ökologische (biologische) Landwirtschaft ist eine Alternative zur konventionellen Landwirtschaft unter Berücksichtigung von Erkenntnissen der Ökologie und des Umweltschutzes.
Ausgehend davon, dass jede Form von Landwirtschaft einen Eingriff in die Natur bedeutet, ist das Ziel die Herstellung von Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit möglichst natürlichen Produktionsmethoden und größtmöglichem Umweltschutz.
Verzichtet wird nach dieser Definition beim Anbau von Kräutern, Obst und Gemüse auf synthetische Pflanzenschutzmittel, Wachstumsförderer, Düngemittel, Lebensmittelbestrahlung und Gentechnik.
Die Einhaltung der Anbauvorschriften im ökologischen (biologischen) Landbau erfolgt durch Anbauverbände und durch staatlich beauftragte private Unternehmen und Organisationen.
Eine biologische (ökologische) Landwirtschaft kann aus verschiedenen Gründen betrieben werden:
Deutsches Bio-Siegel
Aus Sicht einer anthropozentrischen Umweltethik könnte die Motivation die Produktion von gesünderer Nahrung für Menschen sein.
Aus pathozentrischer Sicht könnte die Motivation der Schutz aller leidensfähigen Tiere sein, die auf einem landwirtschaftlichen Feld leben.
Zum Beispiel könnte von einer Gefährdung des Lebens von Kaninchen oder Maulwürfen in ihren Bauten ausgegangen werden, die direkt oder indirekt mit „Unkraut“-Bekämpfungsmitteln in Berührung kommen.
Die biozentrische Motivation für eine ökologische Landwirtschaft könnte der Schutz von Kleinstlebewesen vor Pestiziden (Fungizide, Herbizide, Insektizide) sein sowie das Existenzrecht von sog. „Unkräutern“.
Aus Sicht einer holistischen Umweltethik könnte die Motivation für eine biologische Landwirtschaft das Recht der
betroffenen Landschaft auf Urwüchsigkeit sowie tierische und pflanzliche Artenvielfalt sein.
Foto: Feld zum Zwiebel-Anbau in der biologischen (ökologischen) Landwirtschaft *
Die Verschmutzung der Meere und Meeresküsten mit Plastikmüll hat riesige Ausmaße angenommen.
So ergaben 3.070 weltweit entnommene Wasserproben der Malaspina Expedition von Dezember 2010 bis Juli 2011 zur Erforschung der Ozeane, dass 88 % der Meeresoberfläche Plastikteile enthielten.[2]
Dabei handelte es sich überwiegend um Mikroplastik-Teile mit einem Durchmesser von weniger als 1 cm, die – wie sich zeigte – Fische, Vögel oder Säugetiere wie Delfine und Wale aufnehmen.[3]
Weltweit sammelt sich der Plastikmüll in den fünf größten Meeresstrudeln: dem indischen, dem nordpazifischen, dem nordatlantischen, dem südpazifischen und dem südatlantischen Müllstrudel.[4]
Der größte von ihnen ist der nordpazifische Müllstrudel, der unter dem Namen „Great Pacific Garbage Patch (GPGP)“ bekannt geworden ist und mindestens 79.000 Tonnen Plastik enthalten soll:
Dieser befindet sich zwischen Hawaii und der Küste von Kalifornien und war im Jahr 2015/2016 mit einer Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern bereits 4,5-mal so groß wie die Fläche der BRD.[5]
Ähnlich hohe Konzentrationen von Plastikmüll wie in den fünf ozeanischen Müllstrudeln befinden sich auch im Mittelmeer, das wie andere europäische Meere immer mehr zur Plastikhalde Europas wird.[6]
Dabei ist nicht geklärt, wie viel Plastikmüll gesunken ist und sich auf dem Boden der Meere befindet. Ein Schutz der Meere kann aus verschiedenen umweltethischen Beweggründen betrieben werden:
Nachdem zahlreiche Meerestierarten als menschliche Nahrungsgrundlage dienen, könnte deren Vergiftung mit Plastik anthropozentrisch motivierte Meeresschützer auf den Plan rufen.
Pathozentrisch betrachtet könnte ein Schutz der Meere vor Plastikmüll auch alle leidensfähigen Meerestiere und Vögel schützen, die qualvoll verenden, weil sie Plastik aufnehmen oder sich im Plastikmüll verfangen.
Biozentrisch betrachtet wären die Interessen aller Lebewesen schützenswert, die direkt oder indirekt vom Plastikmüll im Wasser und an den Küsten betroffen sind.
Hierzu zählen beispielsweise der Erhalt von Korallenriffen, die Artenvielfalt oder die Funktion von Weltmeeren zur Sauerstoffproduktion auf der Erde.
Und aus der Sicht der holistischen Umweltethik könnte die Motivation für einen Schutz der Meere und Küsten vor Plastikmüll die
Bewahrung der jeweiligen Ökosysteme an sich sein.
Foto: Plastikmüll an einem Strand von Safaga am Roten Meer (Ägypten)
Weitere Beispiele für Proteste gegen menschliche Entscheidungen, die nicht eindeutig bestimmten umweltethischen Motiven zugeordnet werden können, wären die Nutzung der Atomkraft oder Windkraft.
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Literaturangaben:
[1] Höffe, Otfried (1992), Lexikon der Ethik, 4. Auflage, Verlag C.H. Beck, München, S. 14.
[2] Cozar, A.; Echevarría, F.; Gonzaĺez-Gordillo, J.I. et al. (2014): Plastic debris in the open ocean, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, Vol. 111, No. 28, S. 10239/10240.
[3] Ebenda, S. 10239.
[4] Plastikatlas 2019 - Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff (2021), Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), 6. Auflage, ISBN 978-3-86928-200-8, S. 28.
[5] Vgl. Studie in der Fachzeitschrift Scientific Reports: Lebreton, L., Slat, B., Ferrari, F. et al. Evidence that the Great Pacific Garbage Patch is rapidly accumulating plastic, Sci Rep 8, 4666 (2018), https://doi.org/10.1038/s41598-018-22939-w, S. 1/2.
[6] Plastikatlas 2019 - Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff (2021), Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), 6. Auflage, ISBN 978-3-86928-200-8, S.28.
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