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Entwicklungsländer

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Zur Rolle der Entwicklungsländer in der Umweltkrise

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Wie der Abschnitt "Umweltethik" gezeigt hat, kann Umweltethik als Medizin gegen die schädlichen Folgen des uneingeschränkten ökonomischen Prinzips betrachtet werden.

Doch wie schon im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten staatlicher Korrektive in Form von ökologischen Rahmenbedingungen der Wirtschaft zeigt sich, daß die Umweltkrise zu komplex ist, als daß ihr mit einer isolierten Maßnahme beizukommen wäre.

Die Problematik der Umweltzerstörung ist vielmehr in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Bei der Beurteilung von Umweltrisiken darf auch nicht die Rolle und Situation der Entwicklungsländer in der weltweiten Umweltkrise außer acht gelassen werden.

Anmerkung: Für den Begriff "Entwicklungsland" gibt es eine Vielzahl Synonyme, wie "Dritte Welt" oder "Vierte Welt". Diese Begriffe sind - ebenso wie "Entwicklungsland" - teilweise sehr umstritten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verwendet entweder den englischsprachigen Begriff "LDC" (Least Developed Countries) oder den deutschen unbestimmten Begriff "Entwicklungsland".

Man muß kein Prophet sein, um vorauszusehen, daß der Erde die größte ökologische Belastung und Umweltzerstörung noch bevorsteht.

Viele Entwicklungländer streben den Wohlstand der reichen Industrieländer an. Sollte ihr Vorhaben gelingen und das westliche Niveau der Produktion und des Konsums erreicht werden, wäre das mit einem ebenso hohen Ressourcenverbrauch verbunden.

Wenn nur Inder und Chinesen in den “American Way of life” einsteigen, dann wird es - bei heutigem Technologiestand - weltweit zu einer Konsumexplosion und damit verbunden zu einer Explosion der Schadstoffmengen kommen, die bisher nur von einem kleinen, relativ überschaubaren Teil der Erdkugel ausgestoßen wurden.

Das aufstrebende China (ca. 1,3 Mrd. Einwohner) war 2004 bereits mit einem Anteil von 13,7% der zweitgrößte CO2-Verursacher weltweit, nach den USA mit 23,8% und der Europäischen Union mit 14,8%. Indien erreichte mit ca. 1,1 Mrd. Einwohnern einen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen von 4%.[1]

Doch wenn, wie auf dem Weltumweltgipfel in Rio de Janairo 1992 oder in Kyoto 1997, über eine weltweite Lösung der Umweltprobleme und den Wert der Natur diskutiert wird, dann müssen die Hauptverursacher beim Namen genannt werden.

Die für den Treibhauseffekt verantwortlich gemachten CO2-Emmissionen haben 2004 pro Kopf der Bevölkerung in den USA 23,8 Tonnen, in Europa 8 Tonnen, in Indien dagegen nur 1,1 Tonnen betragen.[1]

Da zeugt es nicht gerade von einem global ausgerichteten Umweltbewußtsein, wenn die Industrienationen Technologien und Produktionsverfahren an die Entwicklungsländer verkaufen, die mit ökologischen Problemen verbunden sind, die sie selbst noch nicht im Griff haben und welche die Ökosysteme der Erde schon heute an die Belastungsgrenze gebracht haben.

Auch der in den reichen Ländern betriebene Umweltschutz droht schnell an Rationalitätsgrenzen zu stoßen.

Was nützt es der Umwelt insgesamt, wenn z.B. in Deutschland über “zwei Mikrogramm weniger CO2-Schadstoff in Autoabgasen” diskutiert wird, während sich zum gleichen Zeitpunkt 1,3 Mrd. Chinesen und 1,1 Mrd. Inder auf den Weg gemacht haben, ihre Fahrrräder gegen Autos einzutauschen? Würde der Globus das aushalten bei der gegenwärtigen Technologie?

Würden die Mittel, die diese “minimale” Schadstoffreduktion in den reichen Industrieländern verschlingt, z.B. für Umweltschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern verwendet oder in die Entwicklung erschwinglicher Umwelttechnologien gesteckt werden: die weltweite Schadstoff-Verhinderung wäre ungleich größer.

Nachdem eine drastische Kehrtwende in der Wirtschaftsweise der Industrienationen in absehbarer Zeit nicht in Sicht ist, sollten diese daher der Dritten (und Vierten) Welt - gewissermaßen als Minimalforderung - ihre moderne Umwelttechnologie zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stellen.

Auch Müllexporte in die Dritte-Welt sollten in diesem Zusammenhang gestoppt werden. Wann es letztlich zu diesem Akt der Vernunft kommt, wird auch davon abhängen, wie schnell in den reichen Ländern die Angst vor den Folgen einer Konsumexplosion in den Entwicklungsländern - allen voran China und Indien - um sich greift.

Wer mag es allerdings den Entwicklungsländern verdenken, daß auch sie ihren Anteil am Wohlstandskuchen beanspruchen?

Wieso sollten nicht auch sie in die Massenmobilität einsteigen und die Konsum- und Lebensgewohnheiten der Industrieländer kopieren dürfen?

Hinzu kommt, daß in den armen Ländern im Rahmen einer Güterabwägung der Beseitigung von Hunger und Armut erste Priorität eingeräumt wird. Auch auf Kosten erhöhter Umweltbelastung, nicht erneuerbarer Rohstoffe und des Artenschutzes.

Aus diesem Grund ist es allgemein schwierig, die Entwicklungsländer für globale Umweltschutzvorschriften zu gewinnen: Sie fürchten eine weitere Verringerung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und dulden keine Eingriffe in ihre Selbständigkeit.

Zu groß sind die Bedenken, daß durch Klimaschutzmaßnahmen die Massenarmut und Schulden noch mehr festgeschrieben werden könnte und auf Wettbewerbsvorteile verzichtet werden müßte. Die Interessenkonflikte sind offenkundig und vorprogrammiert.

Wer will es den ärmeren Ländern also verübeln, wenn sie über ihr “Naturkapital” und verfügbaren Naturressourcen allein und souverän entscheiden wollen und eine Unterscheidung nach quantitativem / qualitativem Wachstum kaum eine Rolle spielt? Die Beseitigung von Armut und Hunger wird damit zur Grundbedingung für mehr Umweltschutz in den Entwicklungsländern.

Erst dann können dort gezielte Umweltschutz-Maßnahmen wie z.B.

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  • eine umweltgerechte Entsorgung von Müll und Giftstoffen (vgl. Abfallmanagement),

  • eine gezielte Abwasserreinigung von Industrie und privaten Haushalten und

  • ein sofortiger Stop der großflächigen Wald-Rodungen über die natürliche Regenerationsrate hinaus zur Gewinnung von Brennholz und Weideflächen

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in Angriff genommen werden.

Zum letzten muß noch gesagt werden, daß Wald-Rodungen durch drei Faktoren und Gründe begünstigt werden:

Erstens wird durch die Bevölkerungsexplosion die Brennholzverknappung zusätzlich beschleunigt.

Anmerkung: Durch das rapide Bevölkerungswachstum in den Tropenländern der Dritten Welt verfügen schätzungsweise eine Milliarde Menschen nicht über ausreichend Brennstoff; viele “plündern” deshalb die umliegenden Wälder: je größer die Bevölkerungszahl, um so größer auch der Brennholzbedarf.

Zweitens erfordert die zunehmende Viehhaltung immer mehr Weideland; also werden wieder Wälder gerodet.

Und drittens wird die Problematik weiter zugespitzt durch die wachsende Schuldenlast gegenüber den Industrieländern, die viele Entwicklungsländer dazu verleitet, alle verfügbaren Naturressourcen auszubeuten, um kurzfristig an harte Devisen zu kommen.

Dabei ist es heute wirklich nicht mehr nachvollziehbar, warum in Ländern mit intensiver Sonneneinstrahlung - wie Afrika, Indien Asien oder allgemein den Tropenländern - Holz noch als Energieträger z.B. zum Kochen verwendet werden muß.

Die Solarenergie wird somit zur Schlüsseltechnologie für die Entwicklungsländer. Aber solange den Entwicklungsländern Kapital für Investitionen fehlt, bleibt ihnen der Zugang zu modernen Technologien verwehrt. Auch qualifizierte Fachkräfte im Bereich Umweltschutz sind nicht zum Nulltarif zu haben.

Ein Impuls für mehr Umweltschutz muß in erster Linie von den Industrienationen kommen. Die Entwicklungsländer können sich keine kostspieligen Umwelttechnologien im Rahmen von einem systematischen Umweltmanagement leisten.

Die Hoffnung darauf zu setzen, daß sie aus eigener Kraft die Gründe ihre Umweltprobleme bewältigen können, ist wenig erfolgsversprechend; befinden sich doch die Entwicklungsländer in einem wahren Teufelskreis:

Um ihre Versorgungslage und die Hungersnot zu verbessern, müssen sie wirtschaftlich wachsen. Das wiederum setzt voraus, daß die Nachfrage der Industrieländer nach ihren Produkten zunimmt. Andererseits sollten die Industrieländer nicht weiter wachsen, um ihren Rohstoffverbrauch und Schadstoffausstoß nicht noch weiter auszudehnen.

Die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien wird zudem einen sparsameren Rohstoffverbrauch mitsichbringen. Auf eine größere Nachfrage der Industrieländer brauchen die Entwicklungsländer also nicht zu setzen.

Das bedeutet unterm Strich für die Entwicklungsländer, daß sie ihre Armut und Schulden selbst beseitigen und für Wachstum und Wettbewerbsvorteile sorgen müssen.

Das können sie aber nicht; weil sie ohne Devisen den Industrieländern nicht die entsprechenden Technologien abkaufen können, die dazu notwendig sind. Damit schließt sich der Kreis wieder.

Abgesehen davon wäre es wenig sinnvoll, darauf zu “warten”, bis die Entwicklungsländer eines Tages ihre eigenen Umwelttechnologien entwickeln können. Aus der Sicht der Industrienationen hieße das darauf zu warten, daß das Rad neu erfunden wird.

Und weil man sich bei der Festsetzung von Weltumweltstandards ohnehin am Schwächsten orientieren müßte, würde diese Vorgehensweise nur wieder eine weitere Verzögerung bei der weltweiten Lösung der Umweltkrise mitsichbringen.

Soll verhindert werden, daß die Entwicklungsländer mit denselben ökologischen Kosten zu Wohlstand gelangen, dann müssen die Industrienationen ihnen wohl oder übel ihre moderne Umwelt-Technologie zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stellen und der Beseitigung von Hunger, Armut und Schulden verstärkte Aufmerksamkeit widmen.

Ob es allerdings jemals zu einer Verbesserung der wirtschafltichen Situation und Beseitigung der Armut in den Entwicklungsländer kommen wird, solange den Entwicklungsländern keine faire Chance gegeben wird, ihre Produkte auf dem Weltmarkt zu verkaufen, ist fraglich.

Der Grund liegt darin, daß die Entwicklungsländer der Dritten Welt auf Exporterlöse und Devisen angewiesen sind, um dringend notwendige Importe und Schulden bezahlen zu können.

Mehr als fünfzig Staaten der Dritten Welt beziehen fast 70% ihrer Devisenerlöse aus dem Export landwirtschaftlicher Produkte.[2]

Trotzdem blockieren z.B. die EU, Japan und die USA Agrarimporte aus den Entwicklungsländern zum Schutz der eigenen Landwirtschaft und setzen im Zuge dieses Protektionismus ihre subventionierten landwirtschaftlichen Überschüsse auf dem Weltmarkt zu Dumping-Preisen ab, gegen die oftmals ein Dritte-Welt-Bauer nicht konkurrieren kann.[3]

So brach im Senegal z.B. der einst blühende Hirsemarkt unter dem Preisdruck subventionierter Getreideimporte aus Frankreich zusammen.[4]

Dabei lassen sich Japan, die USA und die EU diese Agrarsubventionen zur Wahrung ihrer Wettbewerbsvorteile jährlich ein Vielfaches der weltweiten Entwicklungshilfezahlungen kosten.[5]

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es in der Tat sinnvoll ist, wenn mit subventionierten Agrarprodukten und Agrarimporten Dritte-Welt-Bauern in den Ruin getrieben werden, während parallel dazu Internationaler Währungsfonds und Weltbank versuchen, die Schuldenkrise und Schuldenlast in den Entwicklungsländern zu beheben.

Der Vorwurf, daß Protektionismus und die Agrarüberschüsse in den reichen Industrienationen den Hunger in den Entwicklungsländern mitverursachen, ist also nicht von der Hand zu weisen.

Der Handels-Protektionismus der Industrienationen treibt die Entwicklungsländer weiter in die Verarmung und rückt die Abbezahlung ihrer Schulden in immer weitere Ferne. Damit verschlechtert sich auch die Chance für eine weltweite Umweltpolitik.

Ohne freien Welthandel und fairen Handel ist eine weltweite Behebung der Umweltkrise nicht in Aussicht. Eines dürfte feststehen: In Zukunft werden Entwicklungs-, Handels- und Umweltpolitik enger beisammen liegen als bisher.

An dieser Stelle muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß es durchaus Gründe für die schlechte wirtschaftliche Situation und Armut der Entwicklungsländer gibt, die nicht von den reichen Industrienationen zu vertreten sind.

Da wären z.B. diktatorische Regime, die einen wirtschaftlichen Aufschwung verhindern oder die Bevölkerungsexplosion aufgrund unzureichender Geburtenregelung aus traditionellen und kulturellen Gründen. Und nicht zu vergessen jährlich Milliardenbeträge bei Militärausgaben.

Die Entwicklungsländer tragen also auch eine gewisse “Mitschuld” an den Gründen ihrer Armut und der Schulden-Problematik.

Es scheint jedoch alles darauf hinzudeuten, daß die Umweltproblematik die Industrienationen eines Tages dazu zwingen wird, den Entwicklungsländern verstärkt unter die Arme zu greifen und die Armut und Umweltzerstörung zu beseitigen.

Das wird vermutlich dann der Fall sein, wenn die Umweltbelastung und der Verbrauch von Naturressourcen in den ärmeren Ländern für jeden in den reichen Ländern “spürbar” wird.

Sicher, der Regenwald “ist weit weg” und die Konsequenzen seiner Abholzung haben sich für die reichen Länder (noch) nicht gravierend ausgewirkt. Die Belastungsgrenze der Erde scheint noch nicht erreicht zu sein.

Sollte die Umweltverschmutzung /-zerstörung und das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern jedoch weiter anhalten, dann kann das irgendwann einmal auch die Industrieländer bedrohen. Selbst wenn sie den Schadstoffausstoß ihrer Autos wegen dem Treibhauseffekt auf “zwei Mikrogramm Abgas” beschränkt haben. Denn: “It`s one world”...

 

[1] Vgl. Entwicklung vom Schadstoffausstoß CO2 weltweit und der Umweltprobleme weltweit: United Nations, Distr. GENERAL, FCCC/SBI/2006/26 vom 19. Oktober 2006.

[2] Vgl. Vorholz, F. (1992), Wir sind völlig fehlgesteuert, in: “ZEIT-Punkte”, 1/92, Ein Gipfel für die Erde - Nach Rio: Die Zukunft des Planeten, S.4.

[3-5] Ebenda, S.4.

 

 

 

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